Stopp TTIP und CETA (3.2) | Freihandel in Theorie und Praxis

Stopp TTIP und CETA (3.2) | Freihandel in Theorie und Praxis

Was Freihandel ist und was Freihandel nicht ist, hat der Wirtschaftswissenschaftler
Dr. Christian Christen in seinem Text “Freihandel in Theorie und Praxis” sehr genau beschrieben. Im Folgenden werden hier zwei Abschnitte aus dem Text wiedergegeben.

Der vollständige Text kann kostenlos auf der Internetseite www.chefvolkswirt.net von
Dr. Christian Christen als PDF Datei heruntergeladen werden. Der komplette Text (kompakt auf 10 Seiten geschrieben) ist absolut LESENSWERT.

Freihandel in Theorie und Praxis

Während die WTO mit dem Abschluss von Bali den „Kompromiss“ von Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern feiert, ist die TTIP-Verhandlung anders gelagert. Hier sitzen Vertreter der Schwellen- und Entwicklungsländer nicht mit am Tisch und es geht auch nicht um die klassischen Fragen, wie der Außenhandel auf  Länder unterschiedlicher ökonomischer Ausgangslage wirkt und ob industriell rückständige Wirtschaften damit ihre Lage merklich verbessern und aufholen können. Über die TTIP soll sich insbesondere der ohnehin größte Wirtschaftsblock konsolidieren und verlorenes handels- und industriepolitisches Terrain gegenüber einigen Schwellenländern, allen voran China, zurückgewinnen. Dieses Ziel bestimmt die Debatten in den Industrieländern, um besser als bisher die Dynamik des Welthandels zur Stärkung der eigenen Exportindustrien zu nutzen.

Gleichzeitig wird ein mögliches Wirtschaftsabkommen zwischen der EU und den USA die Entwicklungsperspektive anderer Länder beeinflussen. Neue Standards und Regeln für den globalen Handel  und die Produktion würden gesetzt, denen sich keine Volkswirtschaft dauerhaft entziehen kann. Dieser jüngste Versuch, die Gesetzgebung und Normsetzung über ein „Freihandelsabkommen“ zu ändern, gibt Auskunft darüber, was „Freihandel“ überhaupt  bedeutet.
Gemeint ist nie ein Handelsregime ohne umfangreiche, detaillierte Regeln. Weder gab es ein solches Regime in der Blütezeit der Freihandelsidee im 18. und 19. Jahrhundert, noch wird es den regellosen Handel künftig geben. Dafür werden allein die Unternehmen sorgen, die immer auf ein komplexes Regelsystem, Standards und Normen bestehen werden. Sonst lassen sich Eigentumsrechte gar nicht effektiv durchsetzen, Produktinnovationen und Produktionsverfahren nicht von Konkurrenten abgrenzen und Investitionen nicht sichern. Wie ein Zitronenfalter keine Zitronen faltet, beschreibt „Freihandel“ nie den völlig freien Handel, sondern nur den Versuch, bis dato geltende Spielregeln zu verändern und anzupassen. (Christen, 2014)

Dr. Christian Christen – “Freihandel in Theorie und Praxis”
(Policy Paper 01/2014), Seite 1 und 2


Wenig überraschend sind deshalb auch die jüngsten Ergebnisse des „Globalisierungsreport 2014“ der Bertelsmann Stiftung, die den banalen Sachverhalt mit obskurer Methodik eines „Globalisierungsindexes“ aufwendig umschreibt. Banal, da die Voraussetzung des „Erfolgs“ der historisch lange Aufbau einer immens produktiven industriellen Basis und Wertschöpfung ist. Genau diese Voraussetzung wird in solchen und ähnlichen Untersuchung gar nicht mehr hinterfragt und korrekt eingeordnet. An der Spitze stehen Unternehmen aus den Ländern, die bei Produktion, Innovation und Finanzierung auf dem Weltmarkt haushoch überlegen sind. Sie bestimmen die Richtung und die Verteilung der Gewinne und Verluste der Globalisierung. Die beachtliche Differenzierung internationaler Wertschöpfungsketten, die Auslagerung von Produktion und Konstruktion komplexer Unternehmensstrukturen und der Anstieg der Direktinvestitionen in dynamisch wachsenden Märkten hat daran nichts geändert.

Exemplarisch belegt die bisher vorliegende umfassendste Netzwerkanalyse von 30 Millionen Wirtschaftseinheiten die Existenz von 43.060 transnationalen Unternehmen. Über die Besitzverhältnisse lassen sich darüber 147 Unternehmen (0,3 Prozent) identifizieren, die ca. 40 Prozent aller transnationalen Konzerne kontrollieren. Schließlich ist bis heute rund 2/3 des Welthandels intra-industrieller Handel – also Handel zwischen den Unternehmen. Da diese nun zahlenmäßig am häufigsten in den Industrienationen angesiedelt bzw. über Tochterunternehmen verflochten sind, erklären sich die Grundstruktur des Welthandels und dessen interregional Zuschnitt.

Entsprechend wirkt das hinlänglich bekannte Problem von Zentrum und Peripherie bis heute weiter fort: Im Unterschied zu den Industrienationen und wenigen Schwellenländern sind die übrigen Volkswirtschaften bei Produktion und Handel global abgehängt – sie spielen schlicht keine signifikante Rolle. Primär sind sie auf den Verkauf mineralischer, fossiler Rohstoffe, Agrargüter (cash crops) angewiesen und bleiben abhängig von volatilen Preisentwicklungen, der kaufkräftigen Nachfrage industrieller Zentren und/oder sind deren verlängerte Werkbank.

Korrupte Eliten in den Ländern können sich damit zwar relativ gut reproduzieren und einen hohen Konsum und Luxus leisten. Aber eine sinnvolle ökonomische Verwendung der über diesen fragilen, abhängigen Handel und die Produktion erzielten Überschüsse ist kaum zu beobachten. Entsprechend fehlt es an Investitionen in die Infrastruktur und generell an einer Politik, die dortige Industrien und Unternehmen fördert, durch effektive Protektion begleitet, darüber gezielt den Anteil der internen Wertschöpfung erhöht und die Produktivität massiv steigert. Selbst China ist trotz aller Erfolge weit davon entfernt,die Abhängigkeit vom Konjunkturverlauf in den Industrienationen hinter sich zu lassen. Der Sprung auf die nächste Ebene und die strukturelle Transformation von Ökonomie und Gesellschaft ist noch nicht gelungen und birgt unzählige Schwierigkeiten (vgl. Pettis 2013).(Christen, 2014)

Dr. Christian Christen – “Freihandel in Theorie und Praxis”
(Policy Paper 01/2014), Seite 6, 7 und 8


Die Auszüge wurden mit freundlicher Genehmigung von Dr. Christian Christen hier veröffentlicht. Vielen Dank.

Dr. Christian Christen
“Freihandel in Theorie und Praxis” (Policy Paper 01/2014)

www.chefvolkswirt.net

Download: Policy Paper 01/2014 (PDF)


www.epb.uni-hamburg.de

 

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