“Sozial ist, was Arbeit schafft.”
Das ist nicht einfach nur ein Werbespruch in einem Wahlkampf. Es ist eine Botschaft. Von einer Public Relations Agentur im Jahre 2000 entwickelt, findet sich dieser Satz auch noch fünfzehn Jahre später in den Medien wieder.
Eine erfolgreiche Kampagne.
Die “Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft” (INSM) hat mit dieser Botschaft die Reichweite von PR-Arbeit demonstriert und auch ihre Wirksamkeit.
Ein Vorbild für Umweltschützer und Bürgerrechtsorganisationen? Wohl kaum.
Die Wurzeln der Kampagne
Um eine Botschaft zu Verkünden, werden natürlich auch Botschafter [1] gebraucht.
2003 waren in Bayern Landtagswahlen. Auf den Plakaten im Wahlkampf stand der Satz “Sozial ist, was Arbeit schafft”. Der bayerische Ministerpräsident war von 1993 bis 2007 Edmund Stoiber. Stoiber und der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe Michael Glos waren beide bis 2004 Kuratoren der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. [2]
2002 schrieb die taz [3] zu dem Thema:
Die CSU bestreitet, dass sie ihren Slogan bei Hugenberg abgekupfert hat.
“Das hat nichts miteinander zu tun”, versicherte ein Parteisprecher der taz.
Woher kommt dann die Ähnlichkeit? “Von uns nicht”, sagt er.
Der Spruch stamme von der CSU-Landtagsfraktion. Diese hatte auf ihrer Januar-Klausurtagung einen Entschließungsantrag zur Beschäftigungspolitik mit “Sozial ist, was Arbeit schafft” überschrieben. In dem Antrag fordert sie unter anderem: “Überzogenes Versorgungsdenken muss zurückgefahren werden.”
Quelle: www.taz.de | 16.08.2002 | Oliver Hinz
Die Wurzeln der Wurzeln
Von einem “Entschließungsantrag zur Beschäftigungspolitik” der CSU-Landtagsfraktion stammt dieser Satz aber nicht. Er ist eine abgeänderte Version von:
“Sozial ist, WER Arbeit schafft”.
Schon 1933 wurde mit “Sozial ist, wer Arbeit schafft.” in Zeitungsanzeigen geworben. Von einem Wegbereiter Hitlers, Alfred Hugenberg. [3]
“Derjenige ist wirklich und wahrhaft sozial, der Arbeit schafft.”
Alfred Hugenberg (1865-1951), deutscher Politiker [4]
Während “Sozial ist, wer Arbeit schafft.” sich auf Hitler, als auch auf Industrielle beziehen konnte, wurde die personalisierte Form entfernt und dann ersetzt. Jetzt ist das Sozial, was Arbeit schafft. Also auch vermeintliche Reformen oder Technik.
Eine verdrehte Logik, der keiner auf den Grund geht, aber viele auf den Leim.
Krieg sichert die Arbeitsplätze von vielen Soldaten. Krieg ist also ein soziales Instrument der Gesellschaft, denn sozial ist, was Arbeit schafft. Hartz IV ist Sozialabbau, schafft aber Arbeitsplätze und ist dadurch ein soziales Instrument. Sozialabbau ist sozial?
Propaganda oder Public Relations?
Um eine „Mobilisierung der Massen“ zu erreichen, wurde das Schwergewicht der politischen Arbeit auf die Propaganda gelegt. Hitlers bereits in Mein Kampf entwickelte Prinzipien
- Beschränkung auf wenige Themen und Schlagworte,
- geringer geistiger Anspruch,
- Abzielen auf das gefühlsmäßige Empfinden der Massen,
- Vermeidung von Differenzierungen,
- und die tausendfache Wiederholung der jeweiligen Glaubenssätze
bestimmten nun das Vorgehen der nationalsozialistischen Propaganda, die so zu einer höchst erfolgreich eingesetzten Waffe des NS-Apparates wurde.
Quelle: www.wikipedia.de [5]
Oder anders gesagt:
“Jede Propaganda hat volkstümlich zu sein und ihr geistiges Niveau einzustellen auf die Aufnahmefähigkeit des Beschränktesten unter denen, an die sie sich zu richten gedenkt.
Damit wird ihre rein geistige Höhe um so tiefer zu stellen sein, je größer die zu erfassende Masse der Menschen sein soll.”
Adolf Hitler
Quelle: wikiquote | Adolf Hitler „Mein Kampf“ 1943, 851.-855. Aufl., S. 197 [6] [7]
Geringer geistiger Anspruch und die tausendfache Wiederholung der jeweiligen Glaubenssätze können in den Kampagnen der INSM ohne Zweifel festgestellt werden.
“Sozial ist, was Arbeit schafft.”
“Du bist Deutschland.”
“TTIP IS HOPE.”
Das Netzwerk
Die “Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft” (INSM) hat der Propagandakampagne von 1933 einen neuen Spin gegeben und ihn dann recycelt. Und es scheint niemanden zu stören, wenn dieser Satz heute noch immer verwendet wird. Das könnte an der Reichweite der Initiative und an ihrem Netzwerk aus “Botschaftern” [1] liegen. Die sogenannten Experten der INSM (Botschafter) [8] sind überall in der deutschen Medienlandschaft zu finden. Ihre (Experten) Meinungen, Grafiken, “Gutachten” usw. entsprechen in Wort und Bild immer der Ansicht und den Interessen der INSM.
Und damit dem Institut der Deutschen Wirtschaft Köln (DIW).
Und der Ökonomenblog [9] ist die “Stimme der ökonomischen Vernunft”.
So schreibt PD Dr. Rudolf Speth in seiner Analyse für die Hans-Böckler-Stiftung 2004,
“dass sie die am besten aufgestellte und die inhaltlich und strategisch am besten strukturierte [Initiative Anmerk.] ist. Sie beherrscht das Handwerk der Kampagnen-Kommunikation und verfügt über beachtliche Finanzmittel in Höhe von 10 Mio. Euro jährlich”. [2]
Eine Chronologie der Reichweite über die letzten fünfzehn Jahre. (Unvollständig).
„Sozial ist das, was Arbeitsplätze schafft.”
2003 Edmund Stoiber (CSU) [11]
“Die Produktivität der europäischen Nachbarn hat dramatisch zugenommen. Und deswegen müssen wir bestimmte Einschnitte im sozialen Netz vornehmen,
denn sozial ist, was Arbeit schafft.”
2004 Edmund Stoiber (CSU) [12]
“Das Motto ist: Sozial ist, was Arbeit schafft”.
2004 Markus Söder (CSU) [22]
CSU-Generalsekretär Markus Söder verteidigte die Pläne in der “Welt am Sonntag” mit den Worten: “Sozial ist, was Arbeit schafft.”
2005 Wolfgang Thierse (SPD) ehem. Bundestagspräsident [23]
“Der von Union und FDP propagierte Satz “Sozial ist, was Arbeit schafft” sei falsch. “Richtig muss es heißen: Sozial ist, was Arbeit schafft, die ein menschenwürdiges Leben erlaubt.”
2005-2008 Ronald Pofalla
“Sozial ist, was Arbeit schafft.” [13] [14]
“Arbeit bekämpft Armut.” [15]
2007 Franz Müntefering (SPD) [16] [17]
“Links ist das, was Arbeit schafft.”
2009 Franz-Josef Jung (CDU) [18]
“Sozial ist, was Arbeit schafft”.
Arbeitsminister Franz-Josef Jung (CDU) bei seiner Antrittsrede im Bundestag
2013 Peer Steinbrück (SPD)
“Die Wahrheit ist doch eine andere: Mir geht es um die Ökonomie der Gerechtigkeit. Soziale Gerechtigkeit ist eine Bedingung für wirtschaftliche Leistungskraft und umgekehrt. Was sozial gerecht ist, ist auch ökonomisch sinnvoll. Der Mindestlohn verschafft den Menschen ein Einkommen, von dem sie leben können. Und gleichzeitig stärkt er die Kaufkraft und stabilisiert die Sozialkassen.” [24]
„Nein, der Satz von Frau Merkel und der CDU „Sozial ist was Arbeit schafft“ ist nicht die Meinung der SPD und nicht von mir. Sozial ist was gute Arbeit schafft, die anständig entlohnt wird.” [25]
SPIEGEL: Es ging mit der Agenda-Politik aber vor allem darum, Menschen aus langer Arbeitslosigkeit wieder in Beschäftigung zu bringen – auch um den Preis niedrigerer Löhne. Gilt der Satz noch: “Sozial ist, was Arbeit schafft”?
Das hätte selbst Wolfgang Clement so nicht gesagt.
Weitere Darsteller dieses Politiktheaters finden Sie im Internet.
chapo insm.
Update 11. November 2017
Ein Jahr nach meinem Artikel erschien am 02. September 2017 bei Telepolis der Artikel “Sozial ist, was sozial ist“ von Patrik Spät.
Der Telepolis Artikel enthält meine wesentlichen Aussagen, bestätigt diese und setzt die Aussagen in den Kontext der Bundestagswahl 2017.