In dem Telepolis Artikel „Ermittlungen gegen Ex-RAF-Mitglied Stefan Wisniewski eingestellt“ schreibt Thomas Moser über die Verbindungen des deutschen Inlandsgeheimdienstes und Mitgliedern der RAF. Dass es diese Verbindungen gegeben hat ist bekannt (Klaus Steinmetz). Die offene Frage ist, wie intensiv die einzelnen Kontakte waren und seit wann es sie gab. Erschreckende parallelen zum NSU Komplex werden sichtbar.
In diesem Artikel soll es nicht um eine Schuldzuweisung an (ehem.) RAF-Mitglieder gehen. Sondern um die Feststellung, dass die Sicherheitsbehörden an Straftaten beteiligt sind und diese später auch vertuschen. Sie sind dazu in der Lage, den Tätern eine Straffreiheit oder eine Minderung der Strafe zu garantieren. Dieses Verhalten führt den Rechtsstaat ab absurdum. Auch eine geschichtliche Aufklärung und Einordnung wird dadurch verhindert, bzw. verfälscht. Und genau dieses Kriminelle Verhalten der Geheimdienste ist auch im NSU Komplex zu beobachten. Das Verhalten des Verfassungsschutzes im NSU Komplex ermöglicht einen Einblick, was im RAF Kontext bisher nur vermutet werden kann.
Buback-Mord:
Ermittlungen gegen Ex-RAF-Mitglied Stefan Wisniewski eingestellt
Das Attentat auf den Generalbundesanwalt von 1977 bleibt ungeklärt
“Indizien belasten Verena Becker: Als sie zusammen mit Günter Sonnenberg Anfang Mai 1977, vier Wochen nach dem Attentat, festgenommen wurde, hatten die beiden nicht nur die Tatwaffe bei sich, sondern auch einen Schraubenzieher aus dem Werkzeugset des Tatmotorrades. Später konnte Becker außerdem ein Haar aus einem der Motorradhelme zugeordnet werden. Im Prozess sagten mehrere Zeugen aus, eine Frau als Schützin auf dem Tatmotorrad wahrgenommen zu haben.
Darüber hinaus geht aus dem internen Arbeitsplan der RAF zur Durchführung des Anschlages auf Buback hervor, dass Becker, Sonnenberg und Wisniewski im Dezember 1976 gemeinsam in den “Bereitstellungsraum abfahren” sollten, sprich: nach Baden-Württemberg. Bildeten diese drei also das Mordkommando?
Die Unterlagen fielen der Polizei im November 1976 in die Hände, als die beiden RAF-Mitglieder Siegfried Haag und Roland Mayer festgenommen wurden. Die Bundesanwaltschaft kennt diese Spuren also seit langem.
Dem Gericht in Stuttgart reichte das nicht aus. Eine Beteiligung Verena Beckers als Täterin oder Mittäterin sah es nicht als erwiesen an, verurteilte sie im Juli 2012 aber wegen Beihilfe zu vier Jahren Haft, von denen zweieinhalb Jahre als vollstreckt galten. Ins Gefängnis musste Becker nicht mehr. Anfang 2014 wurde ihre Reststrafe zu Bewährung ausgesetzt. Das hatten nicht nur ihre Verteidiger, sondern bemerkenswerterweise auch die Bundesanwaltschaft beantragt.
Eine Logik hat die Haltung der Bundesanwaltschaft vor dem Hintergrund der Geheimdienstkontakte Beckers. Die sind unbestritten. Umstritten ist lediglich der Beginn ihrer Verbindung zum BfV. Konkret: Erst nach oder schon vor dem Attentat?”
Quelle: Telepolis | 27.03.2016 | Thomas Moser
Lesen Sie den Kompletten Artikel auf Telepolis.
Der Autor des Telepolis Artikels Thomas Moser hat 2011 ein Interview mit dem Politikwissenschaftler Wolfgang Kraushaar geführt. Das Interview und der Artikel: “Verena Becker und das Buback-Attentat – RAF und Verfassungsschutz”
sind auf der Seite der Bundeszentrale für Politische Bildung (bpb) zu finden.
“Der Politikwissenschaftler Wolfgang Kraushaar hat sich, auch im Rahmen seiner einschlägigen Buchpublikation, intensiv mit dem Fall Becker, derer möglichen Rolle bei dem Attentat auf Buback und der Involvierung des Verfassungsschutzes beschäftigt. Er nahm im Jahr 2011 als Beobachter am Prozess gegen Becker teil und kommentierte, dass nach seiner und der Ansicht anderer Prozessbeobachter dabei „der Staat die Angeklagte verteidigt“. Es sei eine „Perversion des Rechtsstaats, wenn der Vertreter der Anklage insgeheim die Interessen der Angeklagten, in diesem Fall einer Exterroristin, vertritt“. Im Juni 2011 betitelte er einen Zeitungsartikel über den Prozess „Ein RAF-Prozess als Farce“.
Zu der Frage, ob Becker schon früher als bekannt mit dem Verfassungsschutz gearbeitet haben könnte und ob dieser mehr Einfluss als bekannt auf die Entwicklung des Terrorismus genommen haben könnte, meinte Kraushaar:
„Geheimdienste, westliche wie östliche, sind nach wie vor die große Unbekannte in der Entstehung und Entwicklung des Terrorismus, des bundesdeutschen ebenso wie des mit ihm verflochtenen internationalen Terrorismus. Wenn es der Forschung nicht gelingt, die diversen Schnittstellen zwischen Geheimdiensten und terroristischen Organisationen zu erhellen, dann wird die historische Darstellung – etwa die der RAF – höchst unzureichend bleiben. Ich bin allerdings – um das gleich vorweg festzuhalten – nicht der Ansicht, dass sich die RAF, die Bewegung 2. Juni, die Revolutionären Zellen und andere terroristische Gruppen auf als von Geheimdiensten ferngesteuerte Elemente reduzieren lassen.“
Quelle: wikipedia
2014 erschien im Focus der Artikel: “Akten des Kanzleramts belegen: RAF-Mord an Herrhausen: Verfassungsschutz verhinderte Festnahme” in dem zu Lesen ist:
Augenzeugin gab Hinweise
“Wie die „Bild“-Zeitung nun unter Berufung auf die Akten des Bundeskanzleramts berichtet, meldete sich Ende Mai 1995 eine Augenzeugin, die den gesuchten RAF-Verdächtigen Seidler in Freiburg gesehen hatte. Das Landeskriminalamt Baden-Württemberg bereitete daraufhin eine Zielfahndung und den Zugriff gegen Seidler vor.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), informiert vom Generalbundesanwalt (GBA), habe jedoch den Zugriff mit dem Hinweis verhindert, bereits seit Sommer 1995 mit Seidler in Kontakt zu stehen, um ein geplantes „Aussteigerprogramm“ mit Seidler zu besprechen, wie die Zeitung weiter berichtet.
Kontakte zu Seidler
In bisher unveröffentlichten Akten des Bundeskanzleramts, die „Bild“ jetzt veröffentlichte, heißt es dazu: „Dies sei Anlass für das BfV gewesen, den GBA über die bis dahin dort nicht bekannten Kontakte zu Seidler zu informieren. Der GBA habe daraufhin entscheiden, dass die Fahndungsmaßnahme abgebrochen und auf eine Festnahme verzichtet werden solle.”
Quelle: focus.de | 29.11.2014
„Dies sei Anlass für das BfV gewesen, den GBA über die bis dahin dort nicht bekannten Kontakte zu Seidler zu informieren”.
Wenn also Ermittlungen der Polizei durch Geheimdienste erschwert oder sogar verhindert werden, müssen wir Konsequenzen ziehen. Es darf in einem Rechtsstaat keine Möglichkeit für Geheimdienste geben, sich der Kontrolle zu entziehen. Und das die jetzigen Kontrollmöglichkeiten wirkungslos sind, liegt mit Blick auf die Ereignisse auf der Hand. Es ergeben sich drei Lösungswege:
weitermachen wie bisher, Geheimdienste reformieren oder Geheimdienste abschaffen.
Der NSU Komplex hat gezeigt, dass extremistische Täter vom Staat mit Geld und Informationen versorgt worden sind.
Eine öffentliche Debatte über dieses Thema ist längst überfällig.