[doku] Das Märchen vom Fachkräftemangel (2014)

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Die Story im Ersten: Der Arbeitsmarktreport – das Märchen vom Fachkräftemangel
[ARD2014]

Der Fachkräftemangel ist omnipräsent und gefährdet “unseren” Wohlstand.
Bedrohliche Schlagzeilen VDI-Studie: Ingenieurmangel kostet deutsche Wirtschaft Milliarden” oder auch IW-Studie: Fachkräfte-Mangel in 96 Berufsgruppen” finden sich fast jede Woche in verschiedenen Medienformaten. Wichtig dabei ist die andauernde Medienpräsenz des Themas. Welche Fachkräfte an welchen Standorten fehlen, bleibt dabei manchmal im Dunkeln. Und dabei kommen auch immer wieder Begriffe wie Experten, Arbeitskräftemangel, Fachkräfteengpass und Fachkräftemangel durcheinander.

Die Dokumentation aus der Reihe Die Story im Ersten erklärte schon im Juli 2014, wie der Schwindel mit den fehlenden Fachkräften funktioniert. Dessen ungeachtet, wird das Märchen vom Fachkräftemangel immer noch weiter verbreitet, während die Unternehmen Jahr für Jahr ihre Gewinne steigern können. Mit welcher Formel wird eigentlich der Mangel an Fachkräften berechnet?

Was der Fachkräftemangel eigentlich ist.

Nicht verwechselt werden sollte der Zeit- und Standortbezogene “Mangel” von Fachkräften, mit der bundesweiten Medienkampagne der Arbeitgeber, die dafür sorgte, dass der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) es als Erfolg verkauft, nun Ingenieuren statt 66.000 Euro nur noch die Hälfte bezahlen zu müssen. Der eigenen Klientel. Bravo.

Der Arbeitsmarktreport
zeigt um was es bei dieser sehr gut gemachten (permanenten) Medienkampagne eigentlich geht. Ein Mangel sei dann gegeben, definiert die Bundesagentur für Arbeit, wenn auf eine freie Stelle drei oder mehr Bewerber kommen.
“Unsere Zahlenbasis basiert auf den Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit, die wir dann durch unser Wirtschaftsinstitut dementsprechend aufbereiten lassen.”
Marco Dadomo (Verein Deutscher Ingenieure, VDI) [4min17]
Das genannte Wirtschaftsinstitut ist das “Institut der deutschen Wirtschaft Köln” (IW), das eine eigene Public Relations (PR) Firma für ihre Kampagnen besitzt, die Initiative neue soziale Marktwirtschaft (INSM).

Die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit werden dann von dem “Institut der deutschen Wirtschaft Köln” (ein Interessenverband der deutschen Arbeitgeber) mit 7 multipliziert (inzwischen nur noch mit 5), weil ja nicht jedes freie Stellenangebot der Bundesagentur für Arbeit gemeldet wird. Diesen Vorgang nennt Prof. Dr. Gerd Bosbach “unsinnig”.


“Natürlich sind diese Statistiken nichts wert,
weil sie Methodisch völlig unzulänglich sind.”

Karl Brenke (DIW) [39min28]

Martin Gaedt nennt in der Dokumentation einen entscheidenden Grund für den “Mythos”. Es gibt von den PR Agenturen fertige Beiträge für die Massenmedien. Sie können mit einem geringen Aufwand publiziert werden. Das macht es attraktiv für die Medien, diese Pressemitteilungen und damit auch die getroffenen Aussagen der Verbände und PR Agenturen zu übernehmen. So werden solche “aufbereiteten” Zahlen auch für Sendungen wie Anne Will verwendet.


Die Absenkung der Untergrenze für Jahresgehälter ist ein “Erfolg”

Kaum ein Lobbyverband hat sich so vehement dafür eingesetzt, ausländische Fachkräfte ins Land zu holen, wie der Verein Deutscher Ingenieure (VDI). Ingenieure selbst sind es, die dem Verein vorwerfen, er lasse sich von Unternehmen instrumentalisieren und drücke das Mindestgehalt. Weil der Ingenieursverband regelmäßig mit Horror-Zahlen aufwartet, hat man den Ingenieursberuf zum Mangelberuf erster Klasse erklärt und erlaubt Unternehmen jetzt, hochqualifizierte ausländische Fachkräfte einzustellen, zu einem Mindestlohn von 32.500 Euro im Jahr. Früher lag diese Grenze bei 66.000 Euro.
Quelle:  www.ard.de


“Die Ware Arbeitskraft wird nicht teurer wenn wir einen Mangel haben, sie wird beliebig billiger. Das ist ein Widerspruch, den ein Betriebswirt/Volkswirt auch überhaupt nicht erklären kann. Was auch zeigt, hier geht es nicht um realen Fachkräftemangel.
Hier geht es um billige Fachkräfte aus dem Ausland, die auch den deutschen oder in Deutschland lebenden, eine billige Konkurrenzsind, damit er sich im Preis möglichst denen anpasst. Das ist das einzige Ziel. Und es ist, dass muss man leider sagen, ein erfolgreiches Ziel.”
Prof. Dr. Gerd Bosbach [31min05]


Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin schreibt 2012:

Ingenieure in Deutschland: Keine Knappheit abzusehen
Die Klagen über einen alsbald eintretenden Mangel an Ingenieuren in Deutschland ebben nicht ab. Jüngst hat der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) erklärt, dass wegen des hohen Durchschnittsalters der in Deutschland tätigen Ingenieure (50 bis 51 Jahre) ein enormer Ersatzbedarf entstehen werde.
Diese Befürchtung erweist sich bei näherer Überprüfung als unbegründet.
Quelle:  www.diw.de  |  Karl Brenk  |  2012  |  PDF  (Seite 3)


“Und deswegen kann man in der Relation von offenen Stellen und Arbeitslosen überhaupt keinen Mangel festmachen.”
Karl Brenke (DIW) [39min28]


“Die Ministerin [Andrea Nahles, Anmerk.] hat sich bislang noch kein Meinungsbild zum Thema Fachkräftemangel bilden können und wird auch bis Herbst dazu noch keine Position beziehen können.”
eine Mitarbeiterin [43min20]


Oder um es mit den Worten von Helmut Schmidt zu sagen…


Sandra Maischberger (Frage)
“Was sollen wir denn jetzt machen in Deutschland? Die Wirtschaft sagt, sie braucht Fachkräfte in Deutschland.”

Helmut Schmidt (Antwort)
“Dann soll sie sie gefälligst ausbilden.”


Helmut Schmidt bei Sandra Maischberger (ARD) am 14.12.2010 [1h01min25sek]
weitere Quelle:  www.welt.de  |  15.12.2010  |  Thorsten Pifan


Weitere Beiträge auf skynetblog.de mit Prof. Dr. Gerd Bosbach:

Gerd Bosbach – Lügen mit Zahlen (SR2011)
[Vortrag] Gerd Bosbach – Irreführung mit Zahlen (2012)
[doku] Im Land der Lügen – Wie uns Politik und Wirtschaft mit Zahlen manipulieren (ARD2016)


Der Arbeitsmarktreport – das Märchen vom Fachkräftemangel [ARD2014]

Die Story im Ersten  |  Der Arbeitsmarktreport  |  Das Märchen vom Fachkräftemangel  |
Sendetermin: Montag, 21.07.2014  |  22:45 Uhr  |  0h43min57sek  |  Das Erste  |
Film von Ulrike Bremer  |  Sendungsseite im Internet


 

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