Wahlbeteiligung (Teil 6.2) Nichtwähler

Wahlbeteiligung, Wähler und Nichtwähler. (Teil 6.2) Nichtwähler

Mit diesem Betrag über Nichtwähler wird die kleine Serie über das Thema politische Partizipation weiter fortgesetzt. Es ist der zweite Teil über Wahlbeteiligung. Im ersten Teil wurde gezeigt, dass es eine Tendenz “abnehmender Wahlbeteiligung” gibt. Dieser Beitrag erweitert das Thema Wahlbeteiligung um die Befragungen von “Nichtwählern”.
Vier Untersuchungen werden kurz vorgestellt, die sich mit dem Thema Nichtwähler befassen, um einen Überblick über die Motive zu ermöglichen. (Teil 6.2)

Dann bleib ich mal weg

Dr. Viola Neu hat für die Konrad-Adenauer-Stiftung das Verhalten von Nichtwählern
(2005 und 2009) Ausgewertet. Untersucht wurden u. a. das politische Interesse der Nichtwähler, die Distanz zur Politik der Nichtwähler, das Wahlverhalten der Nichtwähler, die Verbundenheit mit Parteien, die Motive der Nichtwahl und die Sozialstruktur der Nichtwähler.

Dr. Viola Neu
Dann bleib ich mal weg
Der Mythos der “Partei” der Nichtwähler

Gespaltene Demokratie

Der Unterschied in der Wahlbeteiligung zwischen den sozialen Schichten hat spätestens seit Ende der 1990er Jahre deutlich zugenommen. Woran liegt das? Und welche Auswirkungen hat der Rückzug von Teilen der Gesellschaft auf das Bild der Demokratie als Ganzes? Schaut man sich die Trendentwicklung bei Fragen zur Zufriedenheit mit der Demokratie in Deutschland in den letzten zwei Jahrzehnten an, dann stellt man fest, dass trotz der vielfach beschriebenen wiederkehrenden Wellen von Parteienverdrossenheit eine grundsätzliche Abwendung vom politischen System nicht zu erkennen ist.
Eher zeigt sich das Gegenteil. Der Anteil derjenigen, die sagen, sie seien mit der Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland einigermaßen zufrieden oder sogar sehr zufrieden, ist in den Jahren seit 2003 von 67 Prozent auf 83 Prozent gestiegen. Die Zahl derer, die sich ausdrücklich unzufrieden äußern, hat sich von 29 auf elf Prozent um fast zwei Drittel verringert
(allerdings schwanken die Anteile recht stark, Abbildung 6).
(Petersen et al., 2013, Seite 16)

Thomas Petersen, Dominik Hierlemann, Robert B. Vehrkamp, Christopher Wratil
Gespaltene Demokratie
Politische Partizipation und Demokratiezufriedenheit vor der Bundestagswahl 2013

Wahl und Nichtwahl (Pressehinweise)

Die Studie untersucht erstmals innerhalb von Vierteln mit niedriger Wahlbeteiligung die Gründe für eine Wahlteilnahme oder -enthaltung sowie die dem zugrunde liegenden politischen Einstellungen.

Die Studie basiert auf sechs Gruppendiskussionen mit insgesamt 43 Befragten. Zentrale Ergebnisse sind:

  • Die Unterschiede zwischen Wählern und Nichtwählern sind auch in den untersuchten Stadtvierteln groß. Wähler sind selbstbewusster und aktiver, während Nichtwähler von den Problemen des Viertels stärker persönlich betroffen sind und diese als „unlösbar“ beschreiben
  • Nichtwähler glauben nicht daran, selbst etwas mit Politik zu tun zu haben und erwarten keine Verbesserung der eigenen Lebenswirklichkeit durch Politik (mehr).
  • Klischeehafte Negativbilder von Politikern waren sowohl bei Nichtwählern als auch bei Wählern omnipräsent.

Quelle: www.fes.de | Friedrich-Ebert-Stiftung | Pressehinweise


Wahl und Nichtwahl

In den Gesprächen hielten sie [die Nichtwähler, Anmerk.] sich, wenn das Thema auf die Politik kam, auffallend zurück, offenbarten gravierende Wissenslücken und sprachen mit großem Misstrauen über „die Politik“. Während die Wähler_innen der Politik manifeste Steuerungskompetenzen zuschrieben und von eigenen Erfahrungen berichteten, anhand derer sie gemerkt hätten, dass Politik und politisches Engagement etwas verändern können, fehlte diese positive Perspektive den Nichtwähler_innen zu weiten Teilen. In deren Alltagswelt und sozialem Nahbereich spielte Politik kaum eine Rolle, wurde als abgehoben und entfremdet wahrgenommen. Gerade die lokale Ebene der Politik war ihnen kaum präsent und wurde von ihnen auch nicht beachtet.
 
Dieses Resultat unserer Studie steht durchaus im Widerspruch mit dem Antwortverhalten der Befragten in der bereits erwähnten FES-Studie von Manfred Güllner aus dem Jahr 2013, in der die Nichtwähler_innen ein prononciertes Interesse an Kommunalpolitik äußerten. Die aktuelle Untersuchung ergab, dass während die Wähler_innen das Gefühl äußerten, dass lokale Politik „noch ansprechbar“ sei und „wirklich etwas bewirken“ könne, wussten Nichtwähler_innen weder über die Partizipationsmöglichkeiten eingehend Bescheid, noch empfanden sie in den Gesprächen Kommunalpolitik als grundsätzlich nahbarer.
(Blaeser et al., 2016, Seite 55)

Maximilian Blaeser, Felix Butzlaff, Matthias Micus, Robert Pausch, Giannina Scalabrino
Wahl und Nichtwahl
Politikeinstellungen und Politik-Hoffnungen in Göttinger Stadtvierteln


Nichtwähler in Deutschland

“Wer geht schon los, nur damit alles so bleibt, wie es ist?”
Manfred Güllner  |  www.spiegel.de  |  22.09.2003  |  Interview zur Wahlbeteiligung


Prof. Manfred Güllner hat eine Studie über die “Nichtwähler in Deutschland” erstellt.
Er ist Gründer und Geschäftsführer des Forsa-Instituts für Meinungsforschung.

Die “Ergebnisse der Studie, die das unabhängige Institut Forsa – Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analyse mbH im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung durchgeführt hat”, basieren auf den Auswertungen von Telefoninterviews.


Eine Zusammenfassung der Studie auf abgeordnetenwatch.de

Die wichtigsten Ergebnisse der Studie im Überblick:

  • ein Großteil der Nichtwähler ist mit der Demokratie zufrieden (71 Prozent), nicht aber mit der tatsächlichen Politik (78 Prozent Unzufriedenheit).
  • jeder dritte Nichtwähler bleibt bei Wahlen zu Hause, weil aus seiner Sicht die Politiker “kein Ohr mehr für die Sorgen der kleinen Leute haben” (34 Prozent).
  • bei den allermeisten Nichtwählern würde sich die Bereitschaft zur Wahl erhöhen, wenn sich Politiker wieder den Sorgen der “kleinen Leute” annehmen würden (87 Prozent)
  • mehr als zwei Drittel der Nichtwähler meint, dass man durch seine Stimmabgabe “etwas” oder sogar “viel” ändern kann (44 bzw. 24 Prozent).
  • eine Mehrheit der Nichtwähler interessiert sich stark für das politische Geschehen in Deutschland (61 Prozent), ihrem Bundesland (71 Prozent) und ihrer Gemeinde (74 Prozent)
  • das größte Vertrauen haben die Nichtwähler in ihre Gemeinde- und Stadtverwaltung (53 Prozent). Erst dann folgen mit großem Abstand die Landesregierung (42 Prozent), die Bundesregierung (35 Prozent), der Bundestag (34 Prozent) und die Europäische Union (20 Prozent)

Quelle:  www.abgeordnetenwatch.de  |  18.06.2013  |  Redaktion


Die Schlussfolgerungen von Meinungsforscher Güllner:

Nichtwähler haben überwiegend politische Gründe zur Wahlenthaltung – insbesondere die Unzufriedenheit mit der Art und Weise, wie viele politische Akteure heute Politik betreiben. Nach Ansicht von Güllner zeigt sich darin “ein Kommunikationsdefizit zwischen Politiker/innen und Bürger/innen”, das es zu beheben gelte. Ebenfalls müssten “die konkreten politischen Entscheidungen und deren Auswirkungen auf die Bevölkerung” hinterfragt werden.

Quelle:  www.abgeordnetenwatch.de  |  18.06.2013  |  Redaktion

Quellennachweise:

 

Dr. Viola Neu
Dann bleib ich mal weg
Der Mythos der “Partei” der Nichtwähler
Konrad-Adenauer-Stiftung 2012
Dann bleib ich mal weg (25 Seiten) PDF Download

Thomas Petersen, Dominik Hierlemann, Robert B. Vehrkamp, Christopher Wratil
Gespaltene Demokratie
Politische Partizipation und Demokratiezufriedenheit vor der Bundestagswahl 2013
Betelsmann Stiftung, Instituts für Demoskopie Allensbach 2013
www.bertelsmann-stiftung.de
Gespaltene Demokratie (72 Seiten) PDF Download

Maximilian Blaeser, Felix Butzlaff, Matthias Micus, Robert Pausch, Giannina Scalabrino
Wahl und Nichtwahl
Politikeinstellungen und Politik-Hoffnungen in Göttinger Stadtvierteln
Ergebnisse einer Studie des Göttinger Instituts für Demokratieforschung, Mai 2016
in Zusammenarbeit mit der Friedrich-Ebert-Stiftung
Friedrich-Ebert-Stiftung, Forum Berlin 2016
ISBN 978-3-95861-494-9

Wahl und Nichtwahl (64 Seiten) PDF Download 


Friedrich-Ebert-Stiftung | Pressehinweise | Wahl und Nichtwahl | www.fes.de


Manfred Güllner
Nichtwähler in Deutschland

Friedrich-Ebert-Stiftung, Forum Berlin 2013
ISBN: 978-3-86498-530-0

Nichtwähler in Deutschland (87 Seiten) PDF Download


Eine Zusammenfassung der Studie als PDF finden Sie hier.


Interview mit Manfred Güllner auf www.spiegel.de zur Wahlbeteiligung am 22.09.2003


Eine Zusammenfassung der Studie auf www.abgeordnetenwatch.de vom 18.06.2013


 

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