„Mit einer demokratischen Gesellschaft ist das Konzept von Multikulti schwer vereinbar. Vielleicht auf ganz lange Sicht. Aber wenn man fragt, wo denn multikulturelle Gesellschaften bislang funktioniert haben, kommt man sehr schnell zum Ergebnis, daß sie nur dort friedlich funktionieren, wo es einen starken Obrigkeitsstaat gibt. Insofern war es ein Fehler, daß wir zu Beginn der 60er Jahre Gastarbeiter aus fremden Kulturen ins Land holten.“
Helmut Schmidt
Quellennachweis:
Helmut Heinrich Waldemar Schmidt (1918-2015), deutscher Politiker (SPD), Bundeskanzler a.D. der Bundesrepublik Deutschland.
https://de.wikipedia.org/wiki/Helmut_Schmidt
Helmut Schmidt
Beschreibung English: Bundeskanzler Helmut Schmidt. Moscow, Kremlin. 11 dec 2013.
Datum: 11. Dezember 2013
Quelle: http://kremlin.ru/news/19822
Urheber: Presidential Press and Information Office
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Aus:
Wieviel Anatolien verträgt Europa?
ABENDBLATT: Sie beschreiben in Ihrem neuen Buch den möglichen Kampf der Kulturen, also Islam versus Christentum, als eine der großen Gefahren des 21. Jahrhunderts. Eine Umfrage hat gerade ergeben, daß 57 Prozent der Deutschen die Anwendung religiös motivierter Gewalt befürchtet. Haben wir das Problem zu lange verniedlicht oder vernachlässigt?
HELMUT SCHMIDT: Verniedlicht nicht, aber das Wort Vernachlässigung ist insofern zutreffend, als die Deutschen und andere Europäer etwa seit den 60er Jahren versäumt haben, die bei uns aus fremden Kulturkreisen lebenden Menschen zu integrieren. Die von einigen intellektuellen Idealisten sogenannte multikulturelle Gesellschaft, also die Mischung europäischer und außereuropäischer Kulturen, ist bisher nirgendwo wirklich gelungen.
ABENDBLATT: Woran liegt das?
SCHMIDT: Das liegt an der Feindlichkeit, mit der alle christlichen Kirchen über Jahrhunderte die Europäer gegenüber anderen Religionen erzogen haben, insbesondere gegenüber dem Judentum und dem Islam. Gegenüber dem Judentum seit beinah 2000 Jahren, gegenüber dem Islam seit über 1000 Jahren. Wir haben eine Grundhaltung der Abwehr gegenüber diesen Religionen erzeugt, und wenn jetzt einige Idealisten von Toleranz reden, kommt dieser Appell Hunderte von Jahren zu spät. Es kommt hinzu, daß viele Ausländer sich gar nicht integrieren wollen.
ABENDBLATT: Ist Multikulti denn grundsätzlich eine Illusion? Wir haben doch nun mal über drei Millionen Moslems in Deutschland.
SCHMIDT: Mit einer demokratischen Gesellschaft ist das Konzept von Multikulti schwer vereinbar. Vielleicht auf ganz lange Sicht. Aber wenn man fragt, wo denn multikulturelle Gesellschaften bislang funktioniert haben, kommt man sehr schnell zum Ergebnis, daß sie nur dort friedlich funktionieren, wo es einen starken Obrigkeitsstaat gibt. Insofern war es ein Fehler, daß wir zu Beginn der 60er Jahre Gastarbeiter aus fremden Kulturen ins Land holten.
Helmut Schmidt im Interview | Hamburger Abendblatt | 24.11.2004
Anmerkung:
„Die multikulturelle Gesellschaft ist eine Illusion von Intellektuellen.“
Helmut Schmidt
Die Zeit | Nr. 18/2004 | 22. April 2004 | www.zeit.de
https://de.wikiquote.org/wiki/Helmut_Schmidt