Dr. Hans-Joachim Maaz erklärt in diesem Vortrag seine Beobachtung der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation. Es ist eine Analyse der Dynamik von Protest und Gegenprotest im Zusammenhang mit der Frage, wie unsere Gesellschaft mit den Flüchtlingen und den damit verbundenen Problemen und Chancen umgeht und umgehen sollte.
Betrachten wir den Menschen als ein soziales Wesen wird verständlich, warum die meisten sehr gerne ein Teil einer Gemeinschaft sein wollen. So begreifen sich die meisten Bürger auch selbst. Darum möchte auch niemand, der gegenwärtig Teil einer Gemeinschaft ist, von dieser Ausgeschlossen werden, Beispielsweise von seinem Sportverein.
Auf der anderen Seite ist es wichtig zu wissen, dass es neben der eigenen Meinung, noch andere Meinungen gibt die uns beeinflussen. Die öffentliche Meinung (z. B. die, die im Sportverein vorherrscht und über die auch gesprochen wird, rote Trikots sind besser als blaue) und die veröffentlichte Meinung (die Meinung, die der Sportverein nach außen hin vertritt), also die Meinung, die sich in den Massenmedien finden lässt. Diesen Meinungen seine eigene entgegenzustellen bedeutet nicht selten, zu riskieren, kein teil der Gemeinschaft mehr zu sein und sich Repressalien auszusetzen. Der dadurch entstehende soziale Druck, wirkt sich auf alle Mitglieder der Gemeinschaft aus. Entweder wird er ausgeübt oder erlebt.
Die menschliche Spezies ist schon eine sehr komplizierte. Vielleicht ist es möglich, sich auf das Ziel zu einigen, ein Konsens zu finden um auch die Omega’s, also die Außenseiter, mit in die Gemeinschaft zu integrieren. Denn erst dieser Schritt macht eine Gemeinschaft zu einer Gemeinschaft und unterscheidet diese von einem Zusammenschluss, bestehend aus einzelnen Personen oder Gruppen. Ein Anfang wäre wahrscheinlich aber auch schon damit getan, wenn die Mehrheit andere Meinungen tolerieren würde, ohne diese zu Diffamieren und ihnen auch öffentlichen Raum einräumen würde.
„Und man kann sagen: je mehr die Menschen erfolgreich sein müssen, je mehr wir meinetwegen auch materiell wachsen müssen, desto größer ist die seelische Beschädigung des Einzelnen oder der Gesellschaft. Eine Wachstumsgesellschaft so wie wir sie heute kennen, ist eine kranke Gesellschaft.“
Dr. Hans-Joachim Maaz | 03. Februar 2016
Gesellschaftliche Fehlentwicklungen werden nicht mehr als solche erkannt, da es keine Diskussion über bestimmte Themen mehr gibt, weil sich alle Mitglieder der Gemeinschaft dem gleichen Konsens verpflichtet fühlen. Die veröffentlichte Meinung gibt vor, wohin die Reise gehen soll. Statt Diskussion und Argumentation sind in der aktuellen Situation immer mehr und mehr Beleidigungen und Herabwürdigungen wahrnehmbar. Dies hängt unmittelbar zusammen, der Ketzer muss bestraft werden. Der politische Gegner wird jetzt als Feind wahrgenommen und es erscheint wichtiger, ihn zu Diffamieren als zu überzeugen. Und das ganze ereignet sich vermehrt in öffentlichen Räumen, z. B. in Zeitungen und sozialen Medien. Dadurch wird der soziale Druck noch mehr erhöht.
Die Gemeinschaft muss die gruppendynamischen Prozesse beobachten und analysieren. In einer Krise vielleicht mehr als gewöhnlich. Die Psychologie der Masse ist eine andere, als die Psychologie des Einzelnen. Jeder der einmal bei einem Fußballspiel war, kennt diese Situationen. Alle Jubeln mit.
Es gibt aber andererseits auch Täter, die innerhalb einer Gruppe Gewalttaten ausübten und hinterher sagten, sie wüssten nicht, warum sie es getan oder gesagt haben.
Dr. Hans-Joachim Maaz schrieb im Januar 2016 einen Lesenswerten Gastbeitrag für den Cicero, in dem er die Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisierte.
Dr. Hans-Joachim Maaz ist Autor und Vorsitzender des Choriner Instituts für Tiefenpsychologie und psychosoziale Prävention. Er ist natürlich selbst auch ein Teil der Bevölkerung und damit der von ihm analysierten Gruppe. Es ist somit schwer, in einer politischen Diskussion seine eigene Meinung öffentlich zu vertreten, denn sie ist immer zugleich privat als auch politisch, aber eigentlich spricht hier ein Psychoanalytiker. Es ist ein Spagat für jeden Wissenschaftler, der ja immer zugleich auch ein Bürger ist.
Das Recht eine freie Meinung zu haben ist nur in dem Rahmen wertvoll, in dem es auch möglich ist, diese Meinung ebenfalls frei äußern zu können. Das macht dieser Vortrag einmal mehr deutlich.
Ein wirklich sehenswerter Vortrag.
“Gucken sie jede Talkshow. Das ist unglaublich was da passiert. Erwachsene, gebildete Menschen streiten sich um nichts, also auf Symptom ebene, statt unser gemeinsames Problem zu begreifen in dem wir sind, dass wir unsere Gesellschaft in Gefahr bringen, so wie wir miteinander umgehen.”
Dr. Hans-Joachim Maaz | 03. Februar 2016
Dr. Hans-Joachim Maaz – Die Gefahr der Spaltung des Landes 2016
Dr. Hans-Joachim Maaz | Die Gefahr der Spaltung des Landes | 00:50.19 min | Volkshochschule Leipzig | 03.02.2016