Am Samstag, den 23. April 2016 waren nach Angaben der Veranstalter etwa 90.000 Menschen (nach Angaben der Polizei 35.000) in Hannover zusammengekommen, um friedlich für einen Stopp der TTIP und CETA Verhandlungen zu demonstrieren. Treffpunkt war der Opernplatz und von dort aus ging es einmal durch die Stadt zur Abschlusskundgebung, die wiederum auf dem Opernplatz stattfand. Organisiert wurde die Demonstration von einem breiten Bündnis aus verschiedenen Verbänden und Gruppen.
Im Vergleich zu einer Umfrage der Bertelsmann Foundation aus dem Jahr 2014 hat in Deutschland die Zustimmung zu TTIP deutlich abgenommen. Sprachen sich vor zwei Jahren noch 55 Prozent dafür aus, sind es heute nur noch 17 Prozent. Zugleich stieg die Zahl derjenigen, die das Abkommen ablehnen, von 25 auf 33 Prozent. Doch nicht nur TTIP, sondern auch die Idee des Freihandels im Allgemeinen wird immer unpopulärer: 2014 befürwortete ihn noch eine deutliche Mehrheit von 88 Prozent. Heute sind es nur noch knapp 56 Prozent der Deutschen. Mehr als ein Viertel lehnt ihn gänzlich ab.
Quelle: https://www.bertelsmann-stiftung.de
Diese Zahlen sind eindeutig. Es geht bei TTIP, CETA und TISA schon längst nicht mehr nur um Freihandelsabkommen, sondern um die demokratische Entwicklung der Bundesrepublik und in Europa im Allgemeinen. Wenn Gesetze von einer absoluten Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt, aber trotzdem nicht gestoppt werden, ist etwas grundlegend falsch im System. Nur leider hat niemand den Mut das auszusprechen.
Die Frage ist doch nicht, wie TTIP und CETA zu Stoppen sind. Die Frage sollte sein, wie diese Abkommen legitimiert werden können, wenn eine Mehrheit dagegen ist. Das Framing liegt hier klar auf den Freihandelsabkommen und blendet die Gesetzgebung im Allgemeinen aus. Es sind Verträge die für Jahrzehnte gültig sind, verantwortet von einer Bundesregierung, die nur für vier Jahre gewählt wurde. Da passt doch etwas nicht zusammen.
Wir brauchen einen Volksentscheid zum Thema TTIP, CETA und TISA.
Eine direkte Demokratie wäre ein Lösungsvorschlag. Wir brauchen eine öffentliche Diskussion zu dem Thema.
Konzerne hätten dann zwar einen direkteren Zugang zu den Bürgern und deren Entscheidungen. Das könnte zu einem Problem werden. Riesige Werbekampagnen und Propaganda wären die Folge. Heute haben sie aber direkten Zugang zu den Büros der Abgeordneten. Sie müssten dann nicht mehr den Umweg über ihre Lobbyisten in den Parlamenten gehen, so wie sie es jetzt tun. Der Unterschied wäre, dass dann auch andere Einfluss nehmen könnten, z. B. auch Umweltverbände und Verbraucherschützer. Und wir hätten wieder die Verantwortung über unser Handeln.
Unser System ist Undemokratisch und davon wird permanent abgelenkt. Dieses Problem wird von allen Beteiligten Ausgeblendet. Auch während der Demonstration in Hannover. Es geht aber nicht nur darum TTIP zu verhindern, sondern undemokratische Entwicklungen, die sich dann z. B. in Form von Freihandelsabkommen präsentieren. Darum werden wir alle paar Jahre wieder mit den gleichen Problemen konfrontiert werden. Weil wir die Ursachen nicht lösen, sondern nur die Symptome (TTIP,CETA,TISA) bekämpfen. Privatisierung des Wassers. Es war doch alles schon einmal da. Und es kommt alles durch die Hintertür wieder zurück. Immer und immer wieder.
Angesichts der Umfrageergebnisse der Bertelsmann-Stiftung ist es doch ein schlechter Witz, wenn Matthias Miersch von der SPD-Bundestagsfraktion auf der Bühne vor der Demonstration in Hannover sagte, die SPD werde das Verhandlungsergebnis („der Text der Vorliegt“) mit den roten Linien der SPD abgleichen und dann entscheiden, wie im Bundesrat abgestimmt wird.
Interessant sind auch die Aussagen von Dr. Simone Peter (Bundesvorsitzende BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Sie sagte, die Grünen stimmen im Bundesrat gegen Vereinbarungen, die z. B. Schiedsgerichte enthalten oder „Verbraucher nicht mitnehmen“. Das bedeutet nur, sie würden nicht für ein Freihandelsabkommen stimmen, das ihnen nicht in die Agenda passt. Sie sagte nicht, dass die Grünen gegen ein Freihandelsabkommen stimmen werden. Matthias Miersch (SPD) hat im Grunde nichts anderes gesagt und wurde dafür ausgebuht. (Vielleicht eine Frage der Formulierungen).
Und weiter sagte sie, die Grünen bräuchten die Unterstützung der Zivilgesellschaft um TTIP und CETA zu verhindern. Eine Farce.
Ohne die Unterstützung der Bevölkerung lässt es sich das Abkommen (wovon kommen wir hier eigentlich ab?) nicht verhindern? Die Mehrheit will diese Abkommen nicht. Die Parteien können es also ohne unsere Zustimmung machen, aber es nicht ohne unsere Hilfe verhindern? Ernsthaft?
Keiner dort hat die Systemfrage als solche gestellt und wird es auch nicht machen. Den sie LEBEN davon. Das ist ihr Geschäft.
Unsere Demokratie ist kein starres Konstrukt. Sie ist lebendig. Sie ist ein Model des letzten Jahrtausends und bedarf einer Anpassung, einer Modernisierung. Die repräsentative Demokratie ist in die Jahre gekommen und bedient Interessen, die nicht den Interessen und Bedürfnissen der Bevölkerung entsprechen. Es ist an der Zeit für eine Erneuerung, für eine Reform der Staatsform. Denken wir doch einmal über eine direkte Demokratie wie in der Schweiz nach. Dies wird ein wichtiges Thema für die nächsten Jahre werden, denn die Unzufriedenheit der Menschen wächst.
Nur Volksentscheide sind demokratische Entscheidungen. Anders gesagt:
Volksentscheide sind Volksentscheide.