Stopp TTIP und CETA (3.1) | Freihandel
In diesem Teil (3.1) der Beitragsserie über die Proteste gegen TTIP und CETA geht es um die dargestellten wirtschaftstheoretischen Konzepte der Freihandelsabkommen.
Es ist eine gigantische Werbekampagne die das Label “Freihandel” etabliert hat und auch noch weiter etablieren soll. Die Bürger die gegen das TTIP Abkommen sind, werden umetikettiert und sind wahlweise “Antiamerikaner” oder “Freihandelsgegner”.
Freihandel, wie er im Frame (Deutungsrahmen) der TTIP Berichterstattung transportiert wird, ist nichts anderes als eine Täuschung, eine Inszenierung.
Aber was soll am Ende des Tages mit einem Freihandelsabkommen transportiert werden, wenn nicht der “freie Handel”?
In Teil (3.1) wird zunächst auf das Label “Freihandel” eingegangen und im zweiten Teil (3.2) geht es um “Freihandel in Theorie und Praxis” (von Dr. Christian Christen).
Das Label “TTIP”
TTIP Transatlantic Trade and Investment Partnership bedeutet übersetzt also Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft. Es geht also um eine Partnerschaft für Handel und Investitionen, nicht um ein (Transatlantisches) Freihandelsabkommen.
Es ist das Wording, der Begriff der mehr, also zusätzliche Freiheit suggeriert.
Eine Verbesserung der Lebensqualität? An welchem Punkt ist unser (Welt) Handel denn heute unfrei? Wir bekommen Oliven und Käse aus Italien und wir exportieren sogar (Kriegs) Waffen in Krisen- und Kriegsgebiete. Freiheit hat mit “Freihandel” schon längst nichts mehr zu tun, aber das Etikett, das Label “Freiheit” verkauft sich immer noch prima. Gleichzeitig kann vor den ökologischen Problemen durch noch mehr Freihandel nicht genug gewarnt werden.
Aufgrund riesiger Überkapazitäten im Containerfrachtverkehr liefern sich die Reedereien einen desaströsen Preiskampf mit der Folge, dass der Transport eines Containers von Shanghai nach Nordeuropa im März 2016 zeitweise nur noch 212 Euro kostete. Der Transport von 20.000 Kilogramm Gütern über 20.000 Kilometer war also billiger als eine reguläre Bahnfahrt zweiter Klasse von München nach Göttingen und zurück. […]
Als Treibstoff ist Schweröl mit einem Schwefelgehalt von bis zu 3,5 % zugelassen. Ein großes Containerschiff verbrennt davon ca. 200 Tonnen am Tag. Somit pustet ein Schiff täglich bis zu sieben Tonnen Schwefeldioxid (SO2) zum Kamin hinaus. Zum Vergleich: Auf Deutschlands Straßen werden täglich 150.000 Tonnen Benzin und Diesel verbrannt. Dieser Treibstoff darf maximal 0.001 % Schwefel enthalten, weshalb in 24 Stunden ca. drei Tonnen Schwefeldioxid in die Umwelt gelangen. D.h.: Ein einziges großes Containerschiff emittiert mehr als die doppelte Menge SO2 wie die komplette KfZ-Flotte Deutschlands, täglich. 20 Containerschiffe pusten so viel SO2 in die Atmosphäre wie sämtliche Autos der Erde zusammen.
Quelle: www.heise.de/telepolis | 29.06.2016 | Harald Klimenta
Da werden Erinnerungen an den Marlboro Cowboy wach. Das Produkt ist eine Lüge, es ist tödlich, verursacht Lungenkrebs, aber es verkauft sich toll mit Hilfe der Freiheit. Sonnenuntergang, Pferde und coole Typen. Die Freiheit ist immer ein super Verkaufsschlager.
Globalisierung der Probleme.
Seit Mitte der achtziger Jahre wird von der Globalisierung gesprochen und von den Chancen, die sie bietet. Ein globales Dorf wird skizziert. Es gab Widerstand dagegen, interlektuellen Widerstand in Form von Büchern und Artikeln. Und Proteste auf den Straßen in Genua 2001. Schon damals wurde den Bürgern erklärt, “dass eine weitere Liberalisierung des Welthandels eine wichtige Maßnahme gegen Armut sei.” [1]
Aufhalten konnte die Globalisierung niemand. Und heute werden Kritiker immer wieder diffamiert. Das war alles schon einmal da.
Der internationale Handel nimmt immer weiter zu und wird auch für den regionalen und nationalen Handel immer wichtiger. “Handel” wird seitdem auch immer öfter ein Thema in den Medien. Das Narrativ ist, mehr Handel, mehr Wohlstand.
Aber das stimmt nicht. Es ist nur eine urbane Legende. Vielleicht eine die tröstet.
Denn gleichzeitig konnten Probleme wie Welthunger, Armut und Trinkwassermangel nicht gelöst werden. Warum nicht?
Die falsche Verteilung von Ressourcen.
Werden die Analysen von Oxfam hinzugezogen (65 Menschen besitzen so viel wie 3,5 Milliarden Menschen), ergibt sich ein neues, ein völlig anderes Bild. Es gibt keine Probleme mit einem Mangel an Ressourcen (auch ein Narrativ) wie es immer wieder behauptet wird, sondern ein Problem mit der falschen Verteilung von Ressourcen.
Immer weniger Menschen werden immer mehr Reichtümer besitzen, während der Großteil der Menschheit weiter und weiter verarmt und verhungert. Diesen Entwicklungen werden dann Methoden entgegengesetzt, die bei genauer Betrachtung wie soziale Brandbeschleuniger wirken. Kündigungsschutz wird „gelockert“, Sozialstandards werden gesenkt, die Ausgaben für Bildung gekürzt und der Umweltschutz wird blockiert (Deutschland blockierte monatelang einen EU-Kompromiss bei den CO2-Grenzwerten). Denn um dem Abwärtstrend entgegen zu steuern, braucht unsere Volkswirtschaft mehr Wachstum. Koste es was es wolle. Die Frage ist doch eigentlich, für welche Gruppen sich die Situation durch TTIP und CETA wirklich verbessern würde.
Der Euro schafft mehr Wohlstand und die Aufhebung der europäischen Binnengrenzen schafft mehr Arbeitsplätze. Die Argumente sind bekannt und das genaue Gegenteil ist passiert. Die Armut in Europa wächst. Warum es mit TTIP anders werden wird?
Es wird nicht anders werden.
Trotzdem verbreitet sich die Idee, dass freier Handel die Situation verbessern könnte. Wie sind diese positiven Vorstellungen mit den negativen Erfahrungen der Vergangenheit zu vereinbaren?
Und welche Rolle spielen die Massenmedien, also die veröffentlichte Meinung dabei, diese Gegensätzlichkeit von Vorstellung und Erfahrung zu verbinden?
Warum Freihandel nicht Freier Handel bedeutet.
Eine weitere Frage stellt sich automatisch: was ist Freihandel eigentlich?
Als Freihandel bezeichnet man einen internationalen Handel, der nicht durch Handelshemmnisse wie Zölle oder Import-Kontingente eingeschränkt ist. Die Idee des Freihandels basiert auf dem klassischen Wirtschaftsliberalismus.
Eine daraufhin ausgerichtete Wirtschaftspolitik bezeichnet man als Freihandelspolitik, eine dem Freihandel entgegengesetzte Politik als Protektionismus. Da Freihandel allein den internationalen Handel (Außenhandel) zwischen souveränen Staaten betrifft, bezeichnet man den freien Handel (Verkehr) mit Waren, Kapital u. a. innerhalb von Bundesstaaten u. ä., die einen Binnenmarkt haben (z. B. USA, EU, einzelne Nationalstaaten u. a.) nicht als „Freihandel“, sondern als Binnenhandel.
Aus Sicht der meisten Ökonomen lassen sich durch Freihandel Wohlfahrtsgewinne realisieren. Allerdings sind die entwicklungs-, umwelt- und sozialpolitischen Folgen des Freihandels umstritten.
Quelle: www.wikipedia.org | Freihandel
Die “Millenniums-Entwicklungsziele” der Vereinten Nationen.
Die Folgen des Freihandels sind “umstritten”. Eine andere Frage ist, wer an den ökonomischen “Wohlfahrtsgewinnen” (eigentliche Übersetzung: Wohlstandsgewinne, nicht zu verwechseln mit der sozialen Wohlfahrt) partizipieren konnte. Wie schon gesagt, sind nicht die Gewinne das Problem, sondern deren falsche Verteilung.
Die “Millenniums-Entwicklungsziele” der Vereinten Nationen sind inzwischen schon gescheitert, nur wahrhaben will das niemand. Der ärmste Teil der Weltbevölkerung hat keinen Anteil an den erzielten Gewinnen des Welthandels.
“Der Anteil der Hungernden sollte ebenfalls halbiert werden. In den Jahren 2011 bis 2013 litten noch 14,3 Prozent der Menschen unter Hunger, von 1990 bis 1992 waren es 23,6 – für die UN ein “signifikanter Fortschritt”.
Die absoluten Zahlen sehen wegen des Bevölkerungswachstums auch hier schlechter aus: Nach Angaben des World Food Programms (WFP) haben derzeit 842 Millionen Menschen nicht genug zu essen. Das sind lediglich 170 Millionen weniger als 1990.”
Quelle: www.welt.de | 21.09.2014 | Steffen Trumpf
“Thomas Pogge, Direktor des Global Justice Program der Yale University, kritisierte dass viele Milleniumsziele nur erreicht werden konnten, weil die Ziele selbst oder deren Definition “geschönt” wurden: “Auf dem Welternährungsgipfel 1996 wollten die Regierungen die Anzahl der hungrigen Menschen noch bis zum Jahr 2015 halbieren. Auf dem Millenniumsgipfel 2000 sollte nur noch ihr Anteil an der Weltbevölkerung halbiert werden, später wurde auch noch das Basisjahr von 2000 auf 1990 vorverlegt. 2012 hat die FAO dann auch noch die Methode geändert, wie die Zahl der Hungrigen berechnet wird. Mit all diesen Tricks gelang es, einen stetig anwachsenden Trend in einen stetig abfallenden zu verwandeln.”
Quelle: www.wikipedia.org | Millenniums-Entwicklungsziele
Die Gesamtzahl der Menschen, die weltweit vor Krieg, Gewalt und Armut in anderen Ländern Zuflucht suchen, ist hingegen nicht gesunken. Laut UNHCR sind derzeit 65,3 Millionen oder eine Person von 113 Menschen weltweit auf der Flucht. So viele wie nie zuvor in der Geschichte der UN.
Quelle: www.heise.de/telepolis | 09.08.2016 | Fabian Köhler
Eine Form von Protektionismus.
Um was geht es bei den TTIP und CETA Verhandlungen?
Es geht um Protektionismus, also genau um das Gegenteil von Freihandel, zumindest der Definition nach. Geschützt werden sollen Marktanteile und Previlegien von schon längst globalisierten Konzernen. Andere sollen von den Märkten der EU und der USA ferngehalten werden. Jeder der in Bezug auf TTIP, CETA und TISA von freiem Handel schreibt, täuscht die Leser entweder durch Unwissenheit, oder mit Absicht.
Werden Zölle aufgehoben? Nein, nur für den Binnenmarkt. Alle anderen werden weiterhin Zoll bezahlen müssen, wenn sie ihre Waren in die EU oder USA importieren wollen. Wir schliessen sie aus. Wer in den Markt will, muss Eintritt bezahlen. Das ist nicht Freihandel, sondern Protektionismus. Solange wir mit den falschen Begrifflichkeiten Argumentieren, können wir nie sagen, was wir meinen. So werden zum Beispiel afrikanische Staaten weiterhin von europäischen Absatzmärkten ausgeschlossen (subventionierte Landwirtschaft), was vor Ort nicht zu einer stabileren Wirtschaftslage und damit zu einer besseren Lebensqualität führen wird.
Der im November 2010 bekannt gewordene Bericht [Weltentwicklungsbericht des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (Human Development Report) Anmerk.] weist nach, dass sich die Lebensumstände und -chancen der meisten Menschen auf der Erde in den letzten 40 Jahren erheblich verbessert haben- allerdings in den meisten Fällen unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung ihres Heimatlandes.
Quelle: www.wikipedia.org | Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen
Wenn wirklich jemand ein Interesse daran hätte, Wohlstand und Gesundheit zu fördern, könnten die “Millenniums-Entwicklungsziele” wieder in den Fokus (auch von den Medien) gerückt werden.
Aber es geht nicht um gesellschaftliche Fragen, sondern um Geschäftliche. Zwischen Humanismus und der Wirklichkeit steht u.a. das Patentrecht für Medikamente oder Saatgut.. Doch davon wird nicht gesprochen. Freihandel ist nur ein Wort wie Zuckerwatte.
Die Globalisierung der Eliten
Der Soziologe Prof. Dr. Hans-Jürgen Krysmanski sprach im Zusammenhang mit der Globalisierung von einer Planetarisierung, denn globalisiert ist die Finanzelite schon seit Jahrzehnten. Nationalitäten, Religionen und Grenzen spielen für die meisten Superreichen schon längst keine Rolle mehr.
Während auf der anderen Seite die regionalen Ortsverbände von Greenpeace und Attac versuchen, die Biotope am Ende der Straße zu retten oder Wahlweise, ein paar Bäume in Stuttgart. Die Netzwerke der multinationalen Konzerne und ihre Beteiligungen bleiben in der öffentlichen Debatte unsichtbar.
Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit ist Blackrock zu einem Großeigentümer der Deutschland AG geworden. Die Investmentfirma aus New York hält über verschiedene Fonds und Gesellschaften inzwischen Anteile an allem, was in der deutschen Wirtschaft Rang und Namen hat: am Sportausrüster Adidas, am Versicherungsgiganten Allianz, am Chemieriesen BASF, an der Deutschen Bank. 6,3 Prozent des Pharmaherstellers Merck gehören Blackrock, beim Baustoffkonzern Heidelberg-Cement sind es 7 Prozent. Blackrock ist als einzige ausländische Anlagefirma an allen 30 Schwergewichten des Dax beteiligt.
Quelle: www.handelsblatt.com | 01.06.2011 | Heike Buchter
Alle (Klima) Konferenzen zeigen deutlich, dass Umweltschutz leider nur nationale Sache sein kann (lokale Kontrolle), aber der Handel sich hingegen schon längst globalisiert hat (2/3 des Welthandels ist Handel zwischen Unternehmen). Hier wird Sand in die Augen der Bürger gestreut. Und am Ende hält sich niemand an die Protokolle der Freiwilligkeit. Selbstverpflichtungen ohne Konsequenzen.
Prof. Dr. Heiner Flassbeck über Freihandel
Der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Heiner Flassbeck erklärt in diesem Video in wenigen Minuten, warum es keinen (effizienten) Freihandel geben kann und die Idee schon “grundlegend falsch” ist.
Der Handelsbilanzüberschuss der Bundesrepublik (Anstieg um 66 Milliarden Euro seit 2012 auf 248 Milliarden Euro 2015) ist Anlass für Verstimmungen.
Kritik an Handelsbilanz: USA drohen Deutschland war auf www.n-tv.de am 30. April 2016 zu lesen.
Und die Kaufkraft des deutschen Binnenmarktes kämpft gegen den größten (deutschen) Nidriglohnsektor Europas.
Hier finden Sie den zweiten Teil (3.2) “Freihandel in Theorie und Praxis”
von Dr. Christian Christen.