Ermittlung gegen den Journalisten Daniel Harrich

Am 19. April 2010 erstattete Jürgen Grässlin Strafanzeige gegen den Waffenhersteller Heckler &  Koch, weil das Rüstungsunternehmen Sturmgewehre vom Typ G36 in mexikanische Bundesstaaten exportierte, in die keine Kriegswaffen hätten geliefert werden dürfen. Jürgen Grässlin ist Autor des Buches “Schwarzbuch Waffenhandel” und CO-Autor des Buches “Netzwerk des Todes – Die kriminellen Verflechtungen von Waffenindustrie und Behörden”, das er zusammen mit Daniel Harrich geschrieben hat.
Daniel Harrich ist der Regisseur der Dokumentation “Tödliche Exporte – Wie das G36 nach Mexiko kam” die 2015 im Südwest Rundfunk (SWR) gezeigt wurde und für die Daniel Harrich und sein Team 2016 den Grimme-Preis bekamen. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft München I gegen Daniel Harrich und seine Co-Autoren Jürgen Grässlin und Danuta Harrich-Zandberg.

Am 5. November 2015, erhob die Staatsanwaltschaft Stuttgart Anklage gegen sechs ehemalige Mitarbeiter des deutschen Waffenproduzenten Heckler & Koch aufgrund des Verdachts auf Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und Außenwirtschaftsgesetz der Bundesrepublik Deutschland bei Exporten nach Mexiko. [1]

Es dauerte also 5 Jahre von der Strafanzeige 2010 bis zur Anklage 2015. Aber nur ein halbes Jahr bis zu den Ermittlungen gegen die Journalisten. Hier hat der Staat seine Prioritäten deutlich gemacht.

“Laut AZ [Abendzeitung München (AZ) Anm.] sehen Harrich und der Anwalt Rothbauer einen möglichen Zusammenhang zwischen der zögerlichen Vorgehensweise der Justiz und einer Personalie. Der ehemalige Präsident des Rottweiler Landgerichts, das zum Stuttgarter Gerichtsbezirk gehört, wechselte nach seiner Justizkarriere als Manager zu Heckler & Koch und soll einer jener Heckler & Koch-Manager sein, gegen die Anklage wegen des Mexiko-Waffendeals erhoben wurde.”
Quelle:  meedia.de  |  27.04.2016


“Bisher war nur bekannt, dass gegen die sechs Heckler & Koch-Mitarbeiter Anklage wegen des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontroll- und Außenwirtschaftsgesetz erhoben wurde. In der Anklageschrift, die unserer Zeitung vorliegt, wird deutlich, wie umfassend der Vorwurf tatsächlich ist. Und hier kommt er, der Paukenschlag. Im genauen Wortlaut heißt es in der Anklage nämlich, dass die Angeschuldigten „jeweils gemeinschaftlich und durch andere, gewerbsmäßig und als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Straftaten verbunden hat“ agiert hätten. „Letztlich heißt das nichts anderes als bandenmäßige illegale Kriegswaffenexporte“, betont Harrich. Eine solche Anklage ist ungewöhnlich. „Normalerweise wurde in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten, wenn es um illegale Waffenexporte ging, wegen Korruption oder Beihilfe zur Erschleichung von Exportgenehmigungen ermittelt. Doch das hier heißt letztendlich: organisierte Kriminalität!“, sagt er.

Ein ehemaliger Landgerichtspräsident ist mutmaßlich in illegale Waffengeschäfte involviert

Bandenmäßiges Vorgehen, illegale Waffengeschäfte – und dieser Vorwurf zudem ausgerechnet gegen eine Person, deren Namen man in Justizkreisen vorher aus einem anderen Kontext kannte: Angeschuldigter Peter Beyerle war früher Landgerichtspräsident in Rottweil. Das ist übrigens das Landgericht, das auch für die Ortschaft Oberndorf zuständig ist – wo die Firma Heckler & Koch sitzt. „Nun wird einem Landgerichtspräsidenten bandenmäßiger Kriegswaffenexport vorgeworfen – das ist schon ein Skandal“, findet der Journalist, Autor und Filmemacher [Daniel Harrich Anm.].”
Quelle:  www.merkur.de  |  26.04.16  |  Katja Kraft


Schon in dem Beitrag über die Dokumentation „Tödliche Exporte – Wie das G36 nach Mexiko kam“ wurde erklärt, dass kann eine Objektivität nicht erwartet werden, wenn Kontrolleur und Profiteur in derselben (juristischen) Person zu finden sind. Wenn der Staat bei einer erteilten Exportgenehmigung durch die Steuergelder der Unternehmen mitverdient, kann ein solches System nicht funktionieren. Eine Möglichkeit wäre ein souveränes, also unabhängiges Kontrollgremium das für Waffenexporte zuständig ist. Eine andere Möglichkeit, die Herstellung von Kriegswaffen und deren Export endlich komplett zu verbieten.

Einen Versuch der Einschüchterung, nennt der Heyne Verlag, in dem das Buch “Netzwerk des Todes” erschienen ist, die Aktion der Staatsanwaltschaft. 10.000 Sturmgewehre des Typs G36 und Ersatzteile wurden nach Mexiko geliefert. 2011 wurden zwei Studenten bei Protesten von Polizisten erschossen. 2014 wurden 43 weitere Studenten von Polizisten entführt und ermordet. Dabei wurden die Sturmgewehre eingesetzt, die nie in diese Provinzen hätten exportiert werden dürfen.
Das ist die Konsequenz dieser Waffenlieferung. Was hätte verhindert werden können?

“Am 13. Oktober 2015 hat die Staatsanwaltschaft dann endlich Anklage gegen zwei ehemalige Geschäftsführer und vier Mitarbeiter von Heckler & Koch wegen des bandenmäßigen Waffenexports von Kriegswaffen nach Mexiko erhoben, nicht jedoch gegen die beschuldigten Mitarbeiter der Behörden. „Die Staatsanwaltschaft spielt mit allen juristischen und taktischen Kniffen, um eine Erweiterung des Verfahrens zu verhindern,“ sagt der Tübinger Rechtsanwalt Rothbauer. So gäbe die Stuttgarter Staatsanwaltschaft vor, man habe die Ermittlungen gegen Behördenvertreter eingestellt, weil kein Anfangsverdacht existiert habe. Und dies, so Jürgen Grässlin, trotz des Buch „Netzwerk des Todes. Die kriminellen Verflechtungen von Waffenindustrie und Behörden“, welches eine umfassende Dokumentation des Zusammenspiels der „Triade des Todes“ (Heckler&Koch, BAFA und BMWi) enthielte.”
Quelle:  www.pressenza.com  |  29.04.2016


Der Verlag sprach von einem offensichtlichen Einschüchterungsversuch, um missliebige Veröffentlichungen mit den Mitteln des Strafrechts zu sanktionieren. Man habe die Gesetze sorgfältig beachtet. Strafbar sei die Mitteilung wesentlicher Teile der Ermittlungsakten. Bei “Netzwerk des Todes” habe man bewusst nur kurze Auszüge abgedruckt.
Quelle:  www.rp-online.de  |  26. April 2016


Was passierte in der Zeit zwischen der Ablehnung der Exportgenehmigung für die Gewehre und der Zustimmung? Warum hat das Bundesministerium seine Meinung geändert? Das dem so ist, zeigen interne Dokumente, die den Vorgang Protokollieren. Aus den Dokumenten wird ersichtlich, dass entgegen den bestehenden Bedenken, letztlich doch der Export der Kriegswaffen genehmigt wurde.

Interessant hierbei ist das Argument, neu gegen alt. Es sollen also alte Waffen gegen neue eingetauscht werden. Eine Auflage für das Waffengeschäft mit Mexiko. 700 alte Gewehre für 10.000 neue moderne Sturmgewehre, Kriegswaffen für Polizisten.


Im Sommer 2006 segnete das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) den schwäbischen Plan offiziell ab – allerdings mit einer wichtigen Einschränkung: Wegen anhaltender Menschenrechtsverletzungen galt die Genehmigung nicht für die mexikanischen Provinzen Chiapas, Chihuahua, Guerrero und Jalisco. Dorthin durften keine Gewehre geliefert werden.

Beim Bafa staunte man darum nicht schlecht, als Heckler & Koch ein Jahr später eine Exportbewilligung für G36-Ersatzteile beantragte und auch die verbotenen mexikanischen Bundesstaaten als “Empfänger und Lieferanschrift für die Ersatzteile” angab, heißt es in der Anzeige. Auf Nachfrage des Amtes habe die schwäbische Waffenschmiede behauptet, es handle sich um ein Versehen.

Laut Informationen von Grässlin und Rothbauer war das Schriftstück aber alles andere als ein Missgeschick. Die G36-Gewehre seien “wissentlich, gezielt und geplant in genau auch jene vier mexikanischen Bundesstaaten geliefert worden, die ausdrücklich von der Exportgenehmigung ausgenommen waren”. Das lasse sich nicht nur durch Zeugenaussagen, sondern auch durch entsprechende Reiseabrechnungen aus den Jahren 2006 bis 2009 belegen.”
Quelle:  www.spiegel.de  |  16.08.2010

Das ist ein System von organisierter Kriminalität. Es ist nur eine Frage der Definition. So wie es in Deutschland auch keinen korrupten Abgeordneten gibt. Bundestagsabgeordnete haben Nebeneinkünfte.

Heckler & Koch “Spendete” in den Jahren 2002 bis 2011 70.000 Euro an die CDU [3]. Das ist der Zeitraum, in dem die G36 Sturmgewehre nach Mexiko geliefert wurden.

“Fast alle HK-Spenden an die CDU erhielt der Kreisverband Rottweil. Dessen Abgeordneter Volker Kauder ist Vorsitzender der CDU-Bundestagsfraktion und gilt nach Aussage von HK-Mitarbeitern als zuverlässiger Unterstützer von Exportaufträgen für die Firma.” [3]


“Dabei waren die Recherchen zu Buch und Film der Staatsanwaltschaft übergeben worden, damit sie Ermittlungen gegen die Verantwortlichen des Waffendeals einleiten kann. Nun wird aber durch die Münchner Staatsanwaltschaft gegen die drei Autoren, Jürgen Grässlin, Daniel Harrich und Danuta Harrich-Zandberg, wegen des Verdachts verbotener Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen, ermittelt. „Unglaublich aber wahr,“ sagt dazu Jürgen Grässlin. „Daniel Harrich hatte der Staatsanwaltschaft zahlreiche Dokumente zur Verfügung gestellt, auf deren Basis die staatsanwaltschaftliche Klageschrift gegen Heckler & Koch verfasst werden konnte. Statt eines Dankes wird nunmehr seitens der Staatsanwaltschaft München gegen uns Autoren des Netzwerk-Buches ermittelt.”
Quelle: www.pressenza.com  |  29.04.2016


Die öffentliche Solidaritätskampagne mit den Journalisten Jürgen Grässlin, Danuta Harrich-Zandberg und Daniel Harrich lässt noch auf sich warten. Wenn es um den Militärisch-Industriellen-Komplex geht, bleibt es überwiegend still im deutschen Blätterwald.

 

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