Sei vorbereitet auf den Tod
Tsunetomo Yamamoto
Tsunetomo Yamamoto
„Bis vor fünfzig oder sechzig Jahren nahm der Samurai jeden Morgen ein Bad, rasierte seinen Vorderkopf, räucherte sein Haar mit Weihrauch, schnitt seine Nägel, polierte sie mit Bimsstein und glättete sie mit Sauerklee, fein darauf bedacht, nicht seine Erscheinung zu vernachlässigen. Er reinigte seine Waffen und hielt sie poliert und frei von Rost. Erscheint uns das besondere Augenmerk auf die eigene gepflegte Erscheinung heute vielleicht als zu affektiert, so entstammt es doch keiner romantischen Idee. Bereit, jeden Tag im Kampf zu sterben, traten junge wie alte Samurai gepflegt auf, weil sonst ihr toter Körper auf einem Schlachtfeld – entgegen ihrem Wunsch, auf alles vorbereitet zu sein – ganz sicher vom Feind als schmierig verachtet worden wäre. Wenn diese Sitte auch kompliziert und zeitraubend erscheint, beschreibt sie doch genau das, was von einem Samurai erwartet wird; es gibt sonst nichts Besonderes, was mehr Hast oder Zeit brauchte.
Man kann von jeder Gefahr der Schande frei sein, solange man – fest entschlossen, jeden Moment zu sterben, oder sich bereits für tot haltend – sowohl in seinem Dienst als auch beim Ausüben militärischer Tugend sich ernsthaft bemüht. …
In den vergangenen dreißig Jahren geschahen viele Veränderungen. Wann auch immer sich junge Samurai treffen, sie reden nur über finanziellen Reichtum anderer, Gewinn und Verlust, ihr Haushaltsbudget, Kleidung und Sex. Ohne solche Themen fühlen sie sich angespannt. Welch erbärmliche öffentliche Moral jenseits jeder Besserung!
Früher hatten die Zwanzig- und Dreißigjährigen keine solch nichtswürdigen Ideen im Sinn, weshalb auch keine Worte über solche Themen aus ihren Mündern kamen. Selbst ein alter Samurai, der unbewusst so daher plapperte, wurde gewarnt, dass man ihn dafür strafen würde.
Die gegenwärtige öffentliche Moral ist wahrscheinlich auf die tölpelhafte Art zurückzuführen, mit der größtes Gewicht auf finanzielle Angelegenheiten gelegt wird. Solange sich jemand von Luxus fernhält, der seinem Stand unangemessen ist, kann er frei von solchem Denken sein.
Es ist auch verachtenswert, einen sparsamen jungen Mann als guten Haushälter zu bezeichnen. Ein zu sparsamer Geist neigt dazu, die sozialen Verpflichtungen zu versäumen, der Mann endet womöglich als feiger Geizhals.“
Tsunetomo Yamamoto
Jeder Moment ist entscheidend
(Wie von Yamamoto Tsunetomo seinem Adoptivsohn Gonnojo erzählt)
„Der gegenwärtige Augenblick kann wohl der entscheidende sein; der entscheidende Moment kann genau jetzt sein. Menschen, die diese Momente für getrennte Dinge halten, können im Augenblickdes Notfalls nicht bereit sein. Wenn ein Mann genau jetzt zu seinem Fürsten gerufen und angewiesen würde, seine Gedanken zu einem bestimmten Sachverhalt zu äußern,würde er höchstwahrscheinlich keine prompte Antwort wissen. Dies bezeugt, daß die Einstellung gegenüber dem entscheidenden Augenblick anders ist als die zu den gewöhnlichen Stunden.
Diese verschiedenen Momente für ein und dasselbe zuhalten, erfordert tägliches Üben als Gefolgsmann während der Freizeit, um in der Lage zu sein, Dinge explizit zu erklären, wenn man vor das Shogunat oder den Shogun selbst zitiert wird, vor den Lehensfürsten oder ältere Ratsmitglieder des Clans. Und das, selbst wenn man sicher weiß, daß der eigene niedere Rang im ganzen Leben niemals die Möglichkeit bieten wird, in der Gegenwart des Fürsten zu sprechen.
Diese Haltung paßt zu allem – ob du auf dem Schlachtfeld bist oder im bürgerlichen Dienst. Sei also entsprechend umsichtig. Wenn wir dies soweit analysieren, wie sehr müssen wir da erkennen, daß wir ständig unaufmerksam sind!“
Tsunetomo Yamamoto
Fürchte den Regen nicht
„Man muß „die Lektion des Platzregens“ verstehen. Ein Mann, der unterwegs von plötzlichem Regen überrascht wird, rennt die Straße hinunter, um nicht naß und durchtränkt zu werden. Wenn man es aber einmal als natürlich hinnimmt, im Regen naß zu werden, kann man mit unbewegtem Geist bis auf die Haut durchnäßt werden. Diese Lektion gilt für alles.“
Tsunetomo Yamamoto
(mehr …)