politische Partizipation 9.1 Das Modell der “Kartellparteien”
_____________________________
In diesem Beitrag möchte ich das Modell der „Kartellparteien“ von Richard S. Katz und Peter Mair kurz vorstellen und zwei Begriffe hervorheben, auf die ich im Folgenden näher eingehen möchte:
- strategische Kooperation und
- staatliche Parteienfinanzierung.
Ein Vergleich dieser Indikatoren mit aktuellen Nachrichten und Beispielen aus den letzten Jahren lässt eine eindeutige Tendenz erkennen. Der Apparat verteidigt das von ihm selbst geschaffene System. Aber wohin führen diese Entwicklungen letzten Endes?
1.1 Kartellpartei
Kartellpartei ist eine idealtypische Bezeichnung der politikwissenschaftlichen Parteienforschung. Die Parteienforscher Richard S. Katz (Johns Hopkins University) und Peter Mair (Universität Leiden) führten jenen Parteientypus in den 1990er Jahren in den Diskurs ein, um den Wandel der Parteien in Westeuropa zu beschreiben. Ihr Beitrag ist sowohl in der auf die Entwicklung der Parteien bezogenen politikwissenschaftlichen Niedergangs- und Krisendiskussion als auch in der Diskussion um die Transformation der Parteiendemokratien selbst wirkungsmächtig.
Ausgangspunkt ist die Idee, dass die etablierten Parteien auf ihre zunehmend nachlassende gesellschaftliche Verankerung (geringere Mitgliederzahl, verringerte Beitragsannahmen, erhöhte Volatilität, geschwächte Bindung zu gesellschaftlichen Gruppen und Akteuren) mit einer Hinwendung zum Staat reagieren, um so neue Ressourcen (insbesondere staatliche Parteienfinanzierung) zum Ausgleich erschließen zu können.
Außerdem soll sich das strategische Verhalten der Parteien über Parteiengrenzen hinweg zu Gunsten von Kooperationen untereinander verändern, so dass sie aus jeweiligem Eigeninteresse kooperieren und die gewonnenen staatlichen Ressourcen gegenüber neuen Parteien verteidigen sowie ausbauen können.
Aufgrund dieser gemeinsamen Verteilung von Ressourcen und einer „Verschmelzung“ mit der staatlichen Sphäre kann von einem Parteienkartell gesprochen werden. [1]
https://de.wikipedia.org/wiki/Kartellpartei abgerufen am: 30.07.2018
1.2 staatliche Parteienfinanzierung
- Verlängerung der Legislaturperiode
- Erhöhung der Anzahl von Bundestagsabgeordneten
- Finanzierung von Politikern
- Finanzierung von Parteien
- Finanzierung von Fraktionen
- Finanzierung von Partei(Nahen)Stiftungen
Zuletzt wurde die Anzahl der Bundestagsabgeordneten von 631 (2013) auf 709 (seit 2017) erhöht. Die Bezüge der Abgeordneten steigen im Juli 2018 um 238,54 Euro auf 9780,28 Euro brutto im Monat an. Dazu kommen noch weitere Ansprüche auf Versorgung.[2] [3] [4]
- https://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Bundestag
- https://www.focus.de/politik/deutschland/erhoehung-im-juli-diaeten-hammer-bundestagsabgeordnete-bekommen-jetzt-noch-mehr-geld_id_8441195.html
- https://www.welt.de/politik/deutschland/article171557256/Neuer-Bundestag-beschliesst-Diaetenerhoehung-fuer-Abgeordnete.html
Legislaturperiode
“Verlängerung der Legislaturperiode ins Auge fassen” Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert spricht sich für eine Verlängerung der Legislaturperiode auf Bundesebene aus.
25.10.2013 | www.bundestag.de [5]
Ein Jahr länger Diäten und Pauschalen: Legislaturperiode von fünf Jahren: Wie sich das für Bundestagsabgeordnete lohnen wird.
14.09.2017 | www.focus.de [6]
Parteienfinanzierung
Bundestag beschließt Aufstockung der Parteienfinanzierung
Die deutschen Parteien bekommen vom kommenden Jahr an zusammen 25 Millionen Euro mehr vom Staat. Trotz heftigen Widerspruchs der Opposition verabschiedete die Koalition von CDU, CSU und SPD am Freitag im Bundestag eine Änderung des Parteiengesetzes, die einen Anstieg der staatlichen Zuschüsse von 165 auf 190 Millionen Euro ab 2019 vorsieht.
Die Regierungsfraktionen begründeten das unter anderem mit der Kommunikation im Internet, die Parteien fast rund um die Uhr fordere, und neuen Datenschutzanforderungen im Netz. Der Bundesrat muss dem Gesetz nicht zustimmen. Linke und Grüne kündigten nach der Abstimmung gemeinsam an, eine Klage zu prüfen.
15.06.2018 | www.welt.de [7]
Finanzierung von Fraktionen
Fraktionen erhalten 30 Prozent mehr Geld
Der Deutsche Bundestag hat bisher unbemerkt die Geldleistungen an die Fraktionen deutlich erhöht – sie steigen schlagartig um mehr als 30 Prozent. In den vergangenen fünf Jahren waren sie insgesamt nur um knapp neun Prozent angehoben worden. Für das Haushaltsjahr 2018 sollen die Fraktionen jetzt insgesamt 115,253 Millionen Euro erhalten, im vergangenen Jahr waren es noch 88,097 Millionen Euro. Zusätzlich bekommen die Fraktionen Sachleistungen. Dazu zählen etwa die Bereitstellung von Büroräumen oder die Nutzung von Bibliothek, Wissenschaftlichem Dienst und Fahrdienst.
20.07.2018 | www.sueddeutsche.de [8]
Parteinahe Stiftungen
Parteinahe Stiftungen kosten Steuerzahler 581 Millionen
Die Abgeordneten des Bundestags haben parteinahen Stiftungen 2017 so viel Geld wie nie zuvor bewilligt. Der Steuerzahlerbund rügt eine Finanzierung „in einem rechtsfreien Raum“ – und fordert eine gesetzliche Regelung. (…) Bewilligt werden die Zuwendungen für die Stiftungen von Bundestagsabgeordneten, die diesen Parteien angehören: Gewissermaßen entscheiden die Parlamentarier also in eigener Sache. Und eine Obergrenze für diese Alimentierung existiert bisher nicht. „Die Finanzierung der Stiftungen verschlingt dreimal mehr Steuergeld als die staatliche Parteienfinanzierung“, sagte Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler, WELT AM SONNTAG.
Allein im vergangenen Jahr konnten die sechs Stiftungen einen Rekordbetrag in Höhe von 581,4 Millionen Euro verbuchen. Das waren rund 27 Millionen Euro mehr als noch ein Jahr zuvor. Betrachtet man den Zeitraum ab 2012, errechnet sich ein Plus von gut 30 Prozent. Seit dem Amtsantritt von Angela Merkel (CDU) als Bundeskanzlerin im Jahr 2005 haben die politischen Stiftungen 5,6 Milliarden Euro erhalten.
12.02.2018 | www.welt.de [9]
2.1 Kritik an dem Modell (Anpassung oder Ausgrenzung neuer Parteien)
Anmerk: Ich vergleiche hier die unterschiedlichen Strukturen des Parteiensystems und wie es auf neue Parteien reagiert. Ich vergleiche und beurteile im folgenden nicht die unterschiedlichen politischen Ausrichtungen der (neuen) Parteien, die ganz offensichtlich ein weiterer wichtiger Faktor sind, wie mit ihnen umgegangen wurde und wird.
Kritik an dem Modell
Ein weiteres wesentliches Ergebnis betrifft die von Katz und Mair angenommene Ausgrenzung neuer Parteien. Empirisch lässt sich keine Ausgrenzung der Parteien, sondern eine “Erziehung” der Parteien im Sinne kartellkonformen Verhaltens beobachten. Neue Parteien werden somit in das Kartell integriert (Zugang zu staatlichen Ressourcen, Einbeziehung in kooperative Arrangements) und nicht versucht außen vorzulassen. (Vgl. Klaus Detterbeck)
https://de.wikipedia.org/wiki/Kartellpartei [1]
Eine berechtigte Kritik. Denn die Reaktionen der etablierten Parteien passen sich der Situation an, sie sind nicht statisch, sie sind dynamisch. Ein Beispiel dafür sind die Versuche, die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) zu Verbieten. Gleichzeitig wurde auch versucht, der Partei finanzielle Ressourcen wegzunehmen oder vorzuenthalten. Ebenfalls fand eine Überwachung der Partei durch den Verfassungsschutz statt.
Die NPD wurde nicht verboten, nun will die Bundesregierung ihr staatliche Gelder entziehen. Das verstößt gegen die Grundregeln unserer Demokratie.
07.04.2017 | www.zeit.de [10]
Ein anderes, gegenteiliges Beispiel ist die Entwicklung und Anpassung der Partei Bündnis 90/Grüne. Die Partei ist nach 40 Jahren nicht mehr wiederzuerkennen. So arbeitet zum Beispiel der ehemalige Grüne Außenminister Joseph (Joschka) Fischer als Lobbyist für BMW (2013). [11] [12]
2013 wurden 32,89 Prozent der Ausgaben der Partei Bündnis 90/Grüne für die Versorgung der Parteimitglieder ausgegeben (Personalausgaben 14,3 Millionen Euro) und 32,73 Prozent für Werbung (14,2 Millionen Euro, hier Wahlkampfmittel genannt). Ein Werbeetat von 30 Prozent des Umsatzes wäre für viele “Unternehmen” eine menge Geld. Die Prioritäten sind eindeutig verteilt.
Für allgemeine politische Arbeit wurden gut 7,8 Millionen Euro und für Sachausgaben für den laufenden Geschäftsbetrieb gut 6,6 Millionen Euro aufgewendet. [12]
www.wikipedia.de | abgerufen am: 30.07.2018
Ein Erfolgsmodell…
Die Unterschiede zwischen den Reaktionen auf diese beiden Parteien sind offensichtlich. Die Grünen passten sich dem System der Kartellparteien an und profitieren von dieser Entscheidung bis heute. Es war mal eine Unmöglichkeit von einer schwarz-grünen Koalition zu sprechen. Das hat sich geändert. Die Partei ist “angekommen”. Die NPD ihrerseits steht völlig abseits und partizipiert in keiner weise von den finanziellen staatlichen Ressourcen.
Nach dem Einzug der Grünen in den Bundestag 1983 gab es in der Union Überlegungen, die neue Partei zu verbieten oder sie als potentielle Gegner der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zumindest vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. [13]
www.wikipedia.de | abgerufen am: 30.07.2018
Die AfD als neuer Konkurrent
Wie wird sich die AfD verhalten? Und wie wird das Parteiensystem auf den neuen Konkurrenten reagieren? Die AfD gründete inzwischen eine Stiftung, um ihrerseits ebenfalls ein Stück von der finanziellen staatlichen Versorgung zu bekommen. Dabei sprach sich die AfD andererseits gegen die Selbstbedienung der Parteien aus. [14] [15] [16]
2.2 strategische Kooperation
Lassen sich ebenfalls Tendenzen erkennen, die auf eine strategische Kooperation (Wettbewerbsverhalten) der etablierten Parteien zum Nachteil neuer Parteien und anderer Organisationen hinweisen? Hier eine Auswahl verschiedener (möglicher) Abwehrmechanismen eines Parteienkartells:
- Große
KooperationKoalition - Regelung zum Alterspräsidenten des Bundestags
- Fünf Prozent „Hürde“ (usw.)
- Sitze in Rundfunkräten
- Bundespräsidentenwahl 2017
- 1,6 Millionen Bürgern gegen TTIP
- Bundestagspetitionen
- Volksentscheid Hamburger Krankenhäuser 2004
Anfang Februar 2018 “einigten” sich CDU, CSU und SPD auf die Fortsetzung der Großen Koalition und am 14.03.2018 wurde Angela Merkel zur Bundeskanzlerin gewählt. Es gab in dieser Zeit einige Umfragen zum Thema “Große Koalition”. Ich möchte hier eine SPON-Umfrage zitieren. Demnach sahen 57 Prozent der Teilnehmer “die Einigung von CDU, CSU und SPD eher oder sehr negativ”. [19] [20]
Die Frage hier soll nicht sein, ob in anderen Umfragen, eine andere Verteilung von Mehrheiten zu finden ist. Die Frage ist, welchen Unterschied würde es machen?
Große Koalition will AfD-Alterspräsidenten verhindern
Statt einem AfD-Politiker könnte Wolfgang Schäuble Alterspräsident des Bundestags werden. Union und SPD wollen die Bestimmungsregeln rechtzeitig vor der Wahl ändern.
Künftig soll der Alterspräsident des Bundestags nicht mehr nach Lebensalter, sondern nach parlamentarischen Dienstjahren bestimmt werden. Die große Koalition von CDU/CSU und SPD habe sich darauf geeinigt, den Vorschlag von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) zu unterstützen und noch vor der Bundestagswahl im September umzusetzen, teilte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) mit.
Damit würde nicht wie nach der bisherigen Regelung voraussichtlich Wilhelm von Gottberg (AfD) nächster Alterspräsident werden, sofern seine Partei in den Bundestag einzieht. Der niedersächsische Politiker ist wegen seiner Äußerungen zum Holocaust umstritten. Unter anderem sagte er, der Holocaust sei ein “wirksames Instrument zur Kriminalisierung der Deutschen und ihrer Geschichte”. Von Gottberg wird am 30. März 77 Jahre alt.
Bei der neuen Regelung hätte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Chancen auf das Amt. Er ist seit 1972 Mitglied des Bundestags und damit dienstältester Parlamentarier. Der amtierende Alterspräsident Heinz Riesenhuber (CDU) tritt nicht mehr an.
28.03.2017 | www.zeit.de [21]
Es sollte den Bürgern und Wählern ernsthaft zu denken geben, wenn der Bundestag sich gegen die eigenen Traditionen (Alterspräsident) ausspricht und stattdessen Wolfgang Schäuble (CDU) favorisiert, der versucht hatte, eine Amnesie für die Steuerhinterzieher in der Flick Affäre 1984 zu erreichen und bei dem ein Briefumschlag mit hohen Bargeldbeträgen von dem Waffenhändler Karlheinz Schreiber in der Schreibtischschublade lag. [22] [23] [Nachtrag 17.09.2018] Spiegel TV – Wolfgang Schäuble und Vitor Gaspar [40]
Fünf Prozent „Hürde“
Fünf-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht verfassungswidrig [24]
Pressemitteilung Nr. 70/2011 vom 9. November 2011 Urteil vom 09. November 2011 2 BvC 4/10
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit seinem heute verkündeten Urteil entschieden, dass die bei der Europawahl 2009 (7. Wahlperiode) geltende Fünf-Prozent-Sperrklausel unter den gegenwärtigen Verhältnissen gegen die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit und der Chancengleichheit der politischen Parteien verstößt, und daher die der Sperrklausel zugrunde liegende Vorschrift des § 2 Abs. 7 Europawahlgesetz (EuWG) für nichtig erklärt.
Demgegenüber hat der Senat die von einem Beschwerdeführer gerügte Verhältniswahl auf der Grundlage “starrer” Listen nicht beanstandet.
Die Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel führt jedoch nicht dazu, die Wahl zum Europäischen Parlament des Jahres 2009 für ungültig zu erklären und eine Neuwahl anzuordnen.
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2011/bvg11-070.html
Sitze im Rundfunkräten
Die exklusive Macht der Rundfunkräte
Als die Bremer Regierungsfraktion neulich das Radio-Bremen-Gesetz änderte, schloss sie faktisch einen Vertreter der AfD vom Einzug in den Rundfunkrat des Senders aus. Vor der Gesetzesänderung hätte sich ein Vertreter der Bremer AfD, die in der Bürgerschaft vertreten ist, ab dem 2. Juni mit dem Titel Rundfunkrat schmücken können. Daraus wird vorerst nichts. Es sind exklusive Klubs, diese Räte.
08.05.2016 | www.welt.de [25]
Bundespräsidentenwahl 2017
Der SPD-Politiker Frank-Walter Steinmeier wurde am 23. Oktober 2016 vom SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel als Bundespräsident vorgeschlagen. Nachdem CDU und CSU mit der Suche nach einem eigenen Kandidaten gescheitert waren, schlossen sich am 14. November Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel sowie der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Horst Seehofer der Nominierung an. Die FDP kündigte am 23. Januar 2017 an, Steinmeier zu unterstützen.
Steinmeier war zum Zeitpunkt seiner Nominierung Bundesminister des Auswärtigen Amtes im Kabinett Merkel III. Seine Wahl galt aufgrund der großen Mehrheit der ihn unterstützenden Parteien in der Bundesversammlung von Beginn an als gesichert. [26]
https://de.wikipedia.org/wiki/Wahl_des_deutschen_Bundespr%C3%A4sidenten_2017
“Es sind doch genau solche Wahlen, bei denen es nichts mehr zu entscheiden gibt, die die Menschen an der Demokratie verzweifeln lassen und die auch demokratische Entscheidungen zu einer Farce machen.”
Sahra Wagenknecht [27]
1,6 Millionen Bürgern gegen TTIP
Kanzlerin Merkel möchte Unterschriften von 1,6 Millionen Bürgern gegen TTIP nicht entgegennehmen
Der Sprecher der Initiative, Michael Efler, fragte bereits im November 2015 im Bundeskanzleramt, wann man die Papiere übergeben könnte. Doch Angela Merkel ließ sich erst viel Zeit und nun ihren Ministerialrat Andreas Nicolin antworten. „Mit Blick auf die zahlreichen terminlichen Verpflichtungen“ sei eine Entgegennahme der Unterschriften leider nicht möglich.
15.01.2016 | deutsch.rt.com [28]
In diesem Video von Tilo Jung erklärt der Regierungssprecher, warum die Kanzlerin die Unterschriften nicht entgegennehmen will.
“Die Kanzlerin macht solche Dinge grundsätzlich nicht. Da kann auch die Quantität keinen Unterschied machen”. [29]
https://www.youtube.com/watch?time_continue=174&v=fQykeaSC3Dk
CETA-Petition: Unterschriftenübergabe vor dem Kanzleramt
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hatte es abgelehnt, die Unterschriften persönlich entgegenzunehmen. Deshalb haben wir die Übergabe auf das Kanzleramt verlegt, wo das Kabinett das weitere Vorgehen der Bundesregierung in Bezug auf CETA beschließen sollte.
13.10.2016 | www.bund.de [30]
Beispiel: Bundestagspetitionen
Obwohl die Bedingungen der Petition erfüllt sind, muss sich der Bundestag nicht mit den Belangen der Bürger befassen. Nach einer Anhörung wird die Petition zu den Akten gelegt.
Hartz-IV-Petition geht nicht an die Regierung [31] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2016/kw17-de-algii/419974
Hartz-IV-Rebellin Inge Hannemann beißt im Bundestag auf Granit [32] https://rp-online.de/politik/deutschland/inge-hannemann-hartz-iv-rebellin-beisst-im-bundestag-auf-granit_aid-20389743
Volksentscheid gegen den Verkauf der Hamburger Krankenhäuser 2004
Als Hamburger kann ich es nicht lassen und muss daran erinnern, dass auch der Volksentscheid gegen den Verkauf der Hamburger Krankenhäuser 2004 irrelevant für die Landesregierung (CDU) war. 76,8 Prozent der Hamburger stimmten gegen den Verkauf. Es reichte ein Lächeln und die Unterschrift des Bürgermeisters um Demokratie und Bürgerbeteiligung zu einer Farce verkommen zu lassen. Der Karriere von Ole von Beust hat es hingegen nicht geschadet. [33]
Relativierung der Bedeutung von Wahlniederlagen
Die Autoren ordnen die Entwicklungen der Parteien hin zu Kartellparteien des Weiteren in einen demokratietheoretischen Kontext ein. Hierbei zeichnen sie eine Relativierung der Bedeutung von Wahlniederlagen auf drei Ebenen nach.
- Einerseits produziert das Parteienkartell aufgrund des kontinuierlichen und kooperativen Zusammenarbeitens der Parteien Proporzregelungen und -routinen, die de facto Regierungsbeteiligungen auch als „Oppositionsparteien“ ermöglicht.
- Signifikante inhaltliche Verschiebungen durch Regierungswechsel sind somit außerdem beeinträchtigt.
- Letztlich verlieren auch die materiellen Auswirkungen aufgrund von Wahlniederlagen an Bedeutung, da das Parteienkartell staatliche Ressourcen unabhängig von diesen untereinander verteilen und insgesamt steigern werden wird.
Kann hier ein Grund dafür gesehen werden, dass CDU und SPD eine Politik vorantreiben, die völlig an den Interessen ihrer ursprünglichen Wählerschaft vorbeigeht? Und sie es mit einer Überheblichkeit tun, aus der sich ableiten lassen könnte, dass ihnen die Konsequenzen gleichgültig geworden sind? (Vgl. Paternalismus) Sie müssen niemanden mehr überzeugen, es reicht inzwischen, sich selber gut zu finden. Seit 1998 hat sich der Anteil der Spenden an den Gesamteinnahmen der im Bundestag vertretenen Parteien (SPD und CDU) halbiert. Die Einnahmen durch Spenden ist bei der SPD von 12,10% (1998) auf 6,27% (2015) gefallen, bei der CDU von 26,22% (1998) auf 13,75% (2015). Quelle: [34] Finanzbericht des SPD Schatzmeisters 2015-2016 (Seite 12) https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Parteiorganisation/Finanzen/Finanzberichte/Finanzbericht_ES_2017-11-24_final_WEB.pdf
Versorgung und Prestige
Die Versorgung von Parteisoldatinnen mit Posten im Apparat, also das Erfinden neuer Arbeitsplätze, die aus öffentlichen Kassen finanziert werden, wurde bei Frau Sawsan Chebli (SPD) deutlich. [35] [36] [37]
Sawsan Chebli (…) ist Grundsatzreferentin für interkulturelle Angelegenheiten bei Innensenator Ehrhart Körting (SPD), sie arbeitet direkt dem Senator zu. Der Posten wurde im März 2010 neu geschaffen; Chebli ist damit Teil der „Hausleitung“ der Innenverwaltung.
22.02.2011 | www.tagesspiegel.de [35]
Die Gatekeeper Funktion der Parteien
“Solange die Politik der Schatten ist, den das Großkapital auf die Gesellschaft wirft, wird die Abschwächung des Schattens die Substanz nicht verändern.” [38] John Dewey
Die Kartellparteien befähigen und autorisieren sich selbst. Diese Struktur isoliert sie immer weiter von den Bürgern und begünstigt Echokammern innerhalb der Parteien. Die Frage sollte nicht sein, ob wir ein Problem mit Kartellparteien haben, sondern wie groß das Problem inzwischen geworden ist. In allen hier genannten Bereichen wird die Summe größer, nicht kleiner (Anzahl der Abgeordneten, Höhe der Bezüge, Verlängerung der Wahlperiode). Der Trend ist eindeutig. Ein “mehr” an politischer Partizipation der Bürger bedeutet gleichzeitig auch ein “weniger” für die aktuellen Inhaber der Machtpositionen. Die Parteien schützen das System, weil die Parteien ein Teil des Systems sind. Sie sind die politischen Gatekeeper der Finanzeliten. Lobbyismus als Zugang zu Entscheidungen. Postdemokratie.
Der britische Politologe Colin Crouch hat sie [Postdemokratie] definiert als ein
“Gemeinwesen, in dem zwar nach wie vor Wahlen abgehalten werden, Wahlen die sogar dazu führen, dass Regierungen ihren Abschied nehmen müssen, in dem allerdings konkurrierende Teams professioneller PR-Experten die öffentliche Debatte während der Wahlkämpfe so stark kontrollieren, dass sie zu einem reinen Spektakel verkommt, bei dem man nur über eine Reihe von Problemen diskutiert, die die Experten zuvor ausgewählt haben. (…) Im Schatten dieser politischen Inszenierung wird die reale Politik hinter verschlossenen Türen gemacht: von gewählten Regierungen und Eliten, die vor allem die Interessen der Wirtschaft vertreten.“ [39]
Uwe Krüger | Mainstream | 2016 | Seite 134
Das Modell der Kartellparteien von Richard S. Katz und Peter Mair ist umfangreicher, als der hier besprochene Auszug.
Quellennachweise:
Grafik 1 – Parteifinanzierung Grafik 2 – strategisches Konkurrenzverhalten
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Kartellpartei abgerufen am: 30.07.2018
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Bundestag
[5] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2013/47478855_kw43_lammert_interview/213880
[8] https://www.sueddeutsche.de/politik/haushalt-fraktionen-erhalten-prozent-mehr-geld-1.4061778
[10] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-04/npd-parteienfinanzierung-entzug-undemokratisch
[12] https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%BCndnis_90/Die_Gr%C3%BCnen
abgerufen am: 30.07.2018
[13] https://de.wikipedia.org/wiki/Schwarz-gr%C3%BCne_Koalition
abgerufen am: 30.07.2018
[14] https://www.n-tv.de/politik/AfD-hat-jetzt-eigene-Parteistiftung-article20506717.html
[19] https://de.wikipedia.org/wiki/Kabinett_Merkel_IV
[22] Erwin K. Scheuch, Ute Scheuch
Die Spendenkrise – Parteien außer Kontrolle
Rowohlt Verlag GmbH, 23.06.2017 – 256 Seiten
www.books.google.de
[23] https://de.wikipedia.org/wiki/Karlheinz_Schreiber
abgerufen am: 30.07.2018
[24] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2011/bvg11-070.html
[25] https://www.welt.de/politik/deutschland/article155134202/Die-exklusive-Macht-der-Rundfunkraete.html
[26] https://de.wikipedia.org/wiki/Wahl_des_deutschen_Bundespr%C3%A4sidenten_2017 abgerufen am: 30.07.2018
[27] https://skynetblog.de/zitat-sahra-wagenknecht-bundespraesident/
[28] https://deutsch.rt.com/inland/36328-ttip-kanzlerin-mochte-unterschriften-/
[29] https://www.youtube.com/watch?time_continue=174&v=fQykeaSC3Dk
[31] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2016/kw17-de-algii/419974
[37] https://www.morgenpost.de/berlin/article209883959/Sawsan-Chebli-Auf-einmal-bin-ich-Islamistin.html
[38] https://skynetblog.de/zitat-john-dewey-politik-schatten/
[39] Uwe Krüger Mainstream – Warum wir den Medien nicht mehr Trauen
ISBN: 9783406688515 | 2016 | Seite 134
[40] https://www.youtube.com/results?search_query=wolfgang+sch%C3%A4uble+vitor+Gaspar