Wahlbeteiligung, Wähler und Nichtwähler. (Teil 6.1) Wähler
Nach den Themen Rückgang der Parteimitglieder, politisches Interesse, Politikverdrossenheit und politisch motivierte Kriminalität (PMK) bringt dieser Beitrag einen weiteren Aspekt bei der Betrachtung der politischen Partizipation. (Teil 6.1)
In der Statistik über die Wahlbeteiligung an den Bundestagswahlen bis 2013 ist ein Trend zu erkennen. Die Wahlbeteiligung nimmt ab. Damit eine allgemeine Politikverdrossenheit gleichzusetzen, oder andere einzelne Punkte dafür Verantwortlich zu machen, wird nicht funktionieren. So gibt es Bürger, die es durchaus als einen politischen Akt sehen, nicht Wählen zu gehen. Das wäre das genaue Gegenteil von politischen Desinteresse. Und es gibt Wähler die eigentlich Nichtwähler sind und ihre Stimme ungültig machen.
Zunächst ein Blick auf die Ergebnisse der Bundestagswahl 2013 (Wähler) und dann im zweiten Teil folgen einige Untersuchungen über Nichtwähler (Teil 6.2).
Wahlbeteiligung in Deutschland
In Deutschland zeigt der Trend insgesamt einen Rückgang der Wahlbeteiligung an. Einige Befragungen von Nichtwählern werden im zweiten Teil zitiert und mögliche Motive dafür genannt.
Quelle: www.statista.com
Wahlbeteiligung und Einwohner 2013.
Die Wahlbeteiligung lag mit 71,5 Prozent etwas höher als 2009. Damals war mit 70,8 Prozent die niedrigste Wahlbeteiligung in der Geschichte der Bundesrepublik ermittelt worden. Von den 61,94 Millionen der Wahlberechtigten haben rund 44,3 Millionen von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht.
684.883 Erststimmen und 583.069 Zweitstimmen waren ungültig, sodass 98,5 Prozent der Erststimmen und 98,7 Prozent der Zweitstimmen gültig waren.
Quelle: www.bundeswahlleiter.de
2013 hatte die Bundesrepublik Deutschland 80,62 Millionen Einwohner. Davon waren 61,94 Millionen wahlberechtigt. Das sind 76,84 Prozent der gesamten Einwohner.
Von den 61,95 Millionen der wahlberechtigten Bürger haben 44,3 Millionen auch gewählt. Davon haben etwa 1,5 Prozent der Wahlberechtigten hat einen ungültigen Wahlzettel abgegeben. Bleiben noch 43,62 Millionen gültige Wählerstimmen.
Von den 43,62 Millionen abgegebenen Stimmen, wurden etwa 6,55 Millionen Stimmen aufgrund der 5-Prozent-Hürde nicht berücksichtigt. Nur 37,07 Millionen Stimmen wurden für die Verteilung der Sitze im Parlament gezählt.
“Ein Rekordhoch (15,7 %) gab es bei den Stimmen für Parteien, die, wie die FDP und die erstmals angetretene Alternative für Deutschland, an der 5-Prozent-Hürde scheiterten und somit bei der Sitzverteilung nicht berücksichtigt wurden. Das führte dazu, dass die im Parlament vertretenen Parteien von unter 60 % der Wahlberechtigten gewählt wurden, obwohl die Wahlbeteiligung mit 71,5 % um 0,72 Prozentpunkte über dem historischen Tiefstand der Bundestagswahl 2009 lag, und dazu, dass die Unionsparteien trotz ihres Ergebnisses von knapp über 40 % eine absolute Mehrheit der Sitze nur sehr knapp verfehlten. In der Folge wurde erneut Kritik gegen die Sperrklausel laut.”
Quelle: www.wikipedia.de/bundestagswahl2013
Nicht einmal die Hälfte der Einwohner hatte somit einen Einfluss auf die Sitzverteilung des Bundestages, immerhin aber noch 59,8 Prozent der Wahlberechtigten.
Die CDU hat 16,23 Millionen Wahlstimmen (37,2 Prozent) bekommen, die CSU 3.54 Millionen (8,1 Prozent) und die SPD 12,84 Millionen (29,4 Prozent). Zusammen bilden diese Parteien die große Koalition seit 2013. Damit haben 32,61 Millionen von insgesamt 80,62 Millionen Bürgern (inkl. nicht wahlberechtigte) ihre Stimme der großen Koalition gegeben (40,44 Prozent). [1]
Wahlbeteiligung nach Bundesländern
In den neuen Bundesländern ist die Wahlbeteiligung zumeist niedriger als in den alten Ländern. So kommen 2013 vier der fünf Bundesländer mit der geringsten Wahlbeteiligung aus dem ehemaligen Ostdeutschland.
Quelle: www.bpb.de
Wahlbeteiligung nach Altersgruppen
Seit der Bundestagswahl 1953 ist die Wahlbeteiligung bei den Älteren höher als bei den Jüngeren. Am niedrigsten war die Wahlbeteiligung bei allen Wahlen zwischen 1953 und 2013 bei den 21- bis unter 25-Jährigen.
Quelle: www.bpb.de
Demokratie der Besserverdienenden?
Für eine repräsentative Studie wurde das Wahlverhalten in 28 Großstädten untersucht. Armin Schäfer vom Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln hat zusammen mit Jérémie Felix Gagné und Robert Vehrkamp von der Bertelsmann-Stiftung die Studie “Prekäre Wahlen – Milieus und soziale Selektivität der Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl 2013” erarbeitet. Sie kommen dabei u. a. zu folgenden Ergebnissen:
(Schäfer et al., 2016, Seite 4)
Oder wie die Süddeutsche Zeitung es formulierte:
“Je prekärer die Lebensverhältnisse, desto eher geht jemand nicht zur Wahl.”
Die Probleme die sich daraus ergeben sind offensichtlich. Wenn mehr Menschen aus den Kreisen der Besserverdienenden zur Wahl gehen und deren Anliegen dadurch auch in der Politik stärker berücksichtigt werden, führt dass zu einer weiteren Verstärkung der Ungleichheit in der Bevölkerung.
Dieser Effekt der Verstärkung kann dann wiederum dazu führen, dass immer mehr Menschen mit geringerem Einkommen nicht zur Wahl gehen, weil sie die Wahrnehmung ihrer Interessen als nicht mehr gegeben ansehen.
Parteienfinanzierung
“Weder Wahlenthaltung noch ein ungültiger Stimmzettel sind eine sinnvolle Aktion. Wer Protest zeigen will, müsste sich für eine Oppositionspartei entscheiden oder eine eigene Partei gründen“, sagt Wahlforscher Kai Arzheimer von der Universität Mainz.
In den vergangenen Jahren lag die Zahl der ungültigen Stimmen bei fast allen Wahlen zwischen 0,9 und 2,4 Prozent. Lediglich bei der Europawahl 2004 gab es mit 2,8 Prozent einen kleinen Ausreißer nach oben. „Wir vermuten, dass die Leute größtenteils aus Unkenntnis heraus ungültig wählen. Die Mehrheit macht das vermutlich nicht aus Protest“, so Arzheimer.
Noch nicht einmal die Parteienfinanzierung wird dadurch beeinflusst. Normalerweise bekommt jede Partei pro erhaltener Stimme zwischen 70 und 85 Cent, sobald sie bei der Wahl mehr als 0,5 Prozent der Stimmen erreicht. Das ist im Parteiengesetz so geregelt. Jährlich werden jedoch insgesamt nicht mehr als 133 Millionen Euro vom Bund an die Parteien verteilt. Diese Obergrenze müsste durch die erreichten Stimmen der Parteien regelmäßig deutlich überschritten werden. Nicht abgegebene oder ungültige Stimmen verändern daran nichts, sie bewirken nur, dass die Zuwendungen an die Parteien weniger stark gekürzt werden müssen, bis die Obergrenze von 133 Millionen Euro erreicht ist.”
Quelle: www.focus.de | 22.09.2009
Wahlbeteiligung in Europa
Seit 1979 ist die Wahlbeteiligung bei Europawahlen gesunken. 2014 gaben weniger als die Hälfte aller Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Dennoch blieb die Wahlbeteiligung europaweit erstmals im Vergleich zur vorherigen Wahl stabil, in Deutschland stieg sie sogar leicht an.
Quelle: www.bpb.de
Ein Überblick über die bisherigen Beiträge zum Thema politische Partizipation:
Neue Formen der politischen Partizipation (Teil 8.3) Volksentscheide
Neue Formen der politischen Partizipation (Teil 8.2) Ursache und Wirkung
Neue Formen der politischen Partizipation (Teil 8.1) Rückblick
Politische Partizipation (Teil 7) – Gestern und Heute
Wahlbeteiligung, Wähler und Nichtwähler. (Teil 6.2) Nichtwähler
Wahlbeteiligung, Wähler und Nichtwähler. (Teil 6.1) Wähler
Politisch motivierte Kriminalität (PMK) (Teil 5)
Politikverdrossenheit in Deutschland (Teil 4)
Steffen Schmidt – Politisches Interesse (bpb.de) (Teil 3)
Ergänzung zur Studie über Parteimitgliedschaften (Teil 2)
[Studie] Niedermayer – Parteimitglieder 2015 (Teil 1)
Quellennachweise:
Wahlbeteiligung (Teil 6.1)
[1] Quelle: www.bundeswahlleiter.de
Armin Schäfer, Robert Vehrkamp, Jérémie Felix Gagné
Prekäre Wahlen
Milieus und soziale Selektivität der Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl 2013
2013 Bertelsmann Stiftung
Hier finden Sie weitere Zahlen und Grafiken zu den Bundestagswahlen auf www.bpb.de.