Das Bundesministerium für Gesundheit und die Fake News

Ein weiterer Kommentar zum Zeitgeist
(aus der Reihe: you can’ make this shit up)

Am 14. März 2020 warnte das Bundesministerium für Gesundheit mit folgendem Text vor Falschmeldungen und Fake-News:

Achtung Fake News!
Es wird behauptet und rasch verbreitet, das Bundesministerium für Gesundheit / die Bundesregierung würde bald massive weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens ankündigen. Das stimmt NICHT! Bitte helfen Sie mit, ihre Verbreitung zu stoppen.


Bundesministerium für Gesundheit auf Twitter:

Sicherheitsscreenshot:

Bundesministerium für Gesundheit

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Auch das ZDF als Massenmedium beteiligte sich als ein Multiplikator, um die Warnung vor den angeblichen Fake News weiterzuverbreiten:

Corona-Pandemie Gesundheitsministerium warnt vor Fake News

Es kurieren Gerüchte im Netz, dass die Bundesregierung weitere Einschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie durchsetzten möchte. Das BMG betont die Falschheit dieser Gerüchte.
https://www.zdf.de/nachrichten/heute/corona-fake-news-100.html

Screenshot: www.zdf.de


Nur eine Woche später, am 21. März 2020 veröffentlichte das Bayerische Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege die Bekanntmachung zur Ausgangsbeschränkung.

That didn’t age well … könnte man sagen. Ob es eine fehlerhafte Kommunikation innerhalb der Ministerien war oder eine bewusste Täuschung der Bürger, bleibt an dieser Stelle unbeantwortet.

https://www.verkuendung-bayern.de/baymbl/2020-152/


Die Bundesregierung veröffentlichte dann am 15. April 2020, also nur drei Wochen nach den Warnungen vor den Fake News, die Ergebnisse ihrer Beratungen der letzten Tage:

Telefonschaltkonferenz der Bundeskanzlerin mit den
Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 15. April 2020
Beschränkungen des öffentlichen Lebens zur Eindämmung der COVID19-Epidemie

Screenshot: www.bundesregierung.de


„Lassen Sie uns gerade jetzt besonnen bleiben und einander auch unter Stress vertrauen.“

(aus der Reihe: you can’ make this shit up)

Na dann…


Quellennachweise:

https://twitter.com/BMG_Bund/status/1238780849652465664?s=20


Die Verfügung zur Ausgangsbeschränkung vom 21. März im Wortlaut

Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege
(vom 21.03.2020)

https://www.verkuendung-bayern.de/baymbl/2020-152/


https://www.nordbayern.de/region/coronavirus-die-verfugung-zur-ausgangsbeschrankung-vom-21-marz-im-wortlaut-1.9961050


Telefonschaltkonferenz der Bundeskanzlerin mit den
Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 15. April 2020

Beschränkungen des öffentlichen Lebens zur Eindämmung der COVID19-Epidemie
(vom 15.04.2020)

https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/telefonschaltkonferenz-der-bundeskanzlerin-mit-den-regierungschefinnen-und-regierungschefs-der-laender-am-15-april-2020-1744228


https://www.zdf.de/nachrichten/heute/corona-fake-news-100.html

https://www.rheinpfalz.de/lokal/pfalz-ticker_artikel,-bundesgesundheitsministerium-warnt-vor-fake-news-zu-corona-_arid,5044107.html


 

[Zitat] Peter Scholl-Latour über Afghanistan und Terrorgefahr

„Dass sie [die Amerikaner, Anmerk.], heute in Afghanistan nicht zurechtkommen, dafür gibt es Präzedenzfälle. Aber man muss heute mit Grauen auf die Perspektive schauen, dass eventuell der afghanische Konflikt auf Pakistan übergreift, auf 170 Millionen Menschen, die völlig, sagen wir, in einem Zustand religiösen Übereifers leben, in eine gewisse religiöse Hysterie jederzeit verfallen können; und die zudem über eine Atombombe verfügen. Daran gemessen ist der Schrecken der von Iran ausgeht und der immer wieder aufgebauscht wird, sehr oft, sehr viel geringer. Eine iranische Atombombe wäre sehr viel kontrollierter, als die Atombomben, die sich heute schon in Pakistan befinden.

(…) Die Gefahr geht ja nicht von den nuklearen Mächten aus, sondern, jeder Staat, selbst Nordkorea, ist nicht wahnsinnig genug, die selbstmörderische Aktion eines Atomkriegs auszulösen. Nein, die Gefahr bestände erst, wenn nukleares Material in die Hände von unverantwortlichen Banden, Kriminellen, ideologischen oder religiösen Charakters geraten würden. Dann wäre die wirkliche Terrorgefahr vorhanden, vor der wir hier bisher verschont geblieben sind.

(…) Wir sollten uns bewusst sein, auch psychologisch, dass Europa den kommenden Herausforderungen möglicherweise nicht gewachsen ist. Ich will am Ende noch einen Satz Zitieren, der sehr pessimistisch klingt, ein Satz von Paul Valéry, der sagte:

„Im Abgrund der Geschichte ist Platz für alle.“

Wir sollten darauf achten, dass das nicht auch eventuell für uns gilt.“

Peter Scholl-Latour

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Gustave Le Bon über drei Arten, Ideen zu implementieren

II. Die Wirkungsmittel der Führer: Behauptung, Wiederholung, Übertragung

Wenn es sich darum handelt, eine Masse für den Augenblick mitzureißen und sie zu bestimmen, irgend etwas zu tun, etwa einen Palast zu plündern, sich bei der Verteidigung eines befestigten Platzes oder einer Barrikade töten zu lassen, so muß man durch raschen Einfluß auf sie wirken. Der erfolgreichste ist das Beispiel. Doch ist dann notwendig, daß die Masse schon durch gewisse Umstände vorbereitet ist und besonders, daß der, der sie mitreißen will, die Eigenschaft besitzt,die ich später als Einfluß untersuchen werde.

Handelt es sich jedoch darum, der Massenseele Ideen und Glaubenssätze langsam einzuflößen, z. B. die modernen sozialen Lehren, so wenden die Führer verschiedene Verfahren an. Sie benutzen hauptsächlich drei bestimmte Arten:
die Behauptung, die Wiederholung und die Übertragung oder Ansteckung (contagion).

Ihre Wirkung ist ziemlich langsam, aber ihre Erfolge sind von Dauer.



Die reine, einfache Behauptung ohne Begründung und jeden Beweis ist ein sichres Mittel, um der Massenseele eine Idee einzuflößen. Je bestimmter eine Behauptung, je freier sie von Beweisen und Belegen ist, desto mehr Ehrfurcht erweckt sie. Die religiösen Schriften und die Gesetzbücher aller Zeiten haben sich stets einfacher Behauptungen bedient. Die Staatsmänner, die zur Durchführung einer politischen Angelegenheit berufen sind, die Industriellen, die ihre Erzeugnisse durch Anzeigen verbreiten, kennen den Wert der Behauptung. Die Behauptung hat aber nur dann wirklichen Einfluß, wenn sie ständig wiederholt wird, und zwar möglichst mit denselben Ausdrücken. Napoleon sagte, es gäbe nur eine einzige ernsthafte Redefigur: die Wiederholung.

Das Wiederholte befestigt sich so sehr in den Köpfen, daß es schließlich als eine bewiesene Wahrheit angenommen wird. Man versteht den Einfluß der Wiederholung auf die Massen gut, wenn man sieht, welche Macht sie über die aufgeklärtesten Köpfe hat. Das Wiederholte setzt sich schließlich in den tiefen Bereichen des Unbewußten fest, in denen die Ursachen unserer Handlungen verarbeitet werden. Nach einiger Zeit, wenn wir vergessen haben, wer der Urheber der wiederholten Behauptung ist, glauben wir schließlich daran. Daher die erstaunliche Wirkung der Anzeige. Haben wir hundertmal gelesen, die beste Schokolade sei die Schokolade X, so bilden wir uns ein, wir hätten es häufig gehört und glauben schließlich, es sei wirklich so. Tausend schriftliche Zeugnisse überreden uns so sehr, zu glauben, das Y-Pulver habe die bedeutendsten  Persönlichkeiten von den hartnäckigsten Krankheiten geheilt, daß wir uns am Ende, wenn wir selbst an einem derartigen Übel erkranken, versucht fühlen, es zu probieren.

Lesen wir täglich in derselben Zeitung, A sei ein ausgemachter Schuft und B ein Ehrenmann, so werden wir schließlich davon überzeugt, vorausgesetzt allerdings, daß wir nicht zu oft in einem andern Blatt die entgegengesetzte Meinung lesen, die die Eigenschaften der beiden miteinander vertauscht.


Behauptung und Wiederholung allein sind mächtig genug, um einander bekämpfen zu können.

Wenn eine Behauptung oft genug und einstimmig wiederholt wurde, wie das bei gewissen Finanzunternehmungen der Fall ist, die jede Konkurrenz aufkaufen, so bildet sich das, was man eine geistige Strömung (courant d’opinion) nennt, und der mächtige Mechanismus der Ansteckung kommt dazu.

Unter den Massen übertragen sich Ideen, Gefühle, Erregungen, Glaubenslehren mit ebenso starker Ansteckungskraft wie Mikroben. Diese Erscheinung beobachtet man auch bei Tieren, wenn sie in Scharen zusammen sind. Das Krippenbeißen eines Pferdes im Stall wird bald von den andern Pferden desselben Stalles nachgeahmt. Ein Schreck, die wirre Bewegung einiger Schafe greift bald auf die ganze Herde über. Die Übertragung der Gefühle erklärt die plötzlichen Paniken.

Gehirnstörungen, wie der Wahnsinn, verbreiten sich gleichfalls durch Übertragung.

Es ist bekannt, wie häufig der Irrsinn bei Psychiatern auftritt. Man berichtet sogar von Geisteskrankheiten, z. B. der Platzangst, die vom Menschen auf Tiere übertragen
werden.


Die Übertragung erfordert nicht die gleichzeitige Anwesenheit der Individuen an demselben Ort, sie kann auch aus der Entfernung unter dem Eindruck gewisser Ereignisse erfolgen, die alle Geister in dieselbe Richtung lenken und ihnen die besonderen Merkmale der Masse verleihen, besonders, wenn sie durch die früher erwähnten mittelbaren Faktoren vorbereitet sind. So hat z. B. der Revolutionsausbruch von 1848, der von Paris ausging, in jäher Weise auf einen großen Teil Europas übergegriffen und mehrere Monarchien erschüttert.

Die Nachahmung, der man so großen Einfluss auf die sozialen Erscheinungen zugeschrieben hat, ist in Wahrheit nur eine einfache Wirkung der Übertragung.

Seiten 117, 118, 119, 120

Die Ansteckung ist stark genug, den Menschen nicht nur gewisse Meinungen, sondern auch bestimmte Arten des Fühlens aufzuzwingen. Sie bewirkt die Mißachtung von Werken wie z. B. der Oper „Tannhäuser“ und macht einige Jahre später aus ihren ärgsten Verleumdern Bewunderer.

Seite 121

In Beispielen, analog den angeführten, geht die Übertragung, wenn sie sich in den Volksschichten ausgewirkt hat, in die höheren Gesellschaftsschichten über. Heutzutage sehen wir, daß die sozialistischen Lehren anfangen, auch die zu ergreifen, die vermutlich ihre ersten Opfer sein
werden. Vor der mechanischen Ansteckung tritt sogar der persönliche Vorteil zurück.

Seite 121

Gustave Le Bon

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[Zitat] Hannah Arendt zum Thema: Pressefreiheit

„In dem Moment, in dem wir keine freie Presse mehr haben, kann alles passieren. Was die Herrschaft einer totalitären oder einer anderen Diktatur ermöglicht, ist, dass die Menschen nicht informiert sind; wie kann man eine Meinung haben, wenn man nicht informiert ist? Wenn man ständig belogen wird, ist die Folge nicht, dass man die Lügen glaubt, sondern dass niemand mehr irgendetwas glaubt.
Denn es liegt in der Natur der Sache, dass Lügen geändert werden müssen, und eine lügende Regierung muss ihre eigene Geschichte ständig neu schreiben.
Auf der Empfängerseite steht nicht nur eine Lüge – eine Lüge, die man bis ans Ende seiner Tage fortsetzen könnte – sondern eine Vielzahl von Lügen, je nachdem, wie der politische Wind weht. Und ein Volk, das nichts mehr glauben kann, kann sich auch nicht mehr entscheiden. Es ist nicht nur seiner Handlungsfähigkeit beraubt, sondern auch seiner Denk- und Urteilsfähigkeit. Und mit einem solchen Volk kann man dann machen, was man will.“

Hannah Arendt

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